Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)
MAZOHL-WALLNIG, Brigitte: Auf den Spuren der österreichischen Geschichte in italienischen Archiven
österreichische Geschichte in italienischen Archiven 435 tisch orientierte Quellenbestand liegt als Sezione Prima im Archiv in der Via A. Luzio, die sogenannten Sezioni riunite mit sämtlichen auf das Finanzwesen bezugnehmenden Akten, mit dem gesamten Kriegs- und Marine-Material befinden sich in der Via S. Chiara 9). Nachdem die österreichischen Bestände des lombardo-venezianischen Königreiches in den Archiven des italienischen Königreiches nicht zu finden waren, mußten sie im oberitalienischen Raum geblieben sein; die Frage nach der endgültigen Standortbestimmung stellte sich nun zwischen Venedig, Mailand und Verona. Denn der Sitz der jeweiligen obersten österreichischen Territorialbehörde in Lombardo-Venetien war nicht auf eine der drei Städte kontinuierlich festgelegt gewesen; so residierte z. B. Radetzky in seiner Funktion als General-Gouverneur in Verona, Erzherzog Ferdinand Maximilian hingegen teilte seine Anwesenheit zwischen Venedig und Mailand, indem er sich in beiden Städten je ein halbes Jahr lang auf hielt. In Venedig und Mailand waren außerdem zur österreichischen Zeit die Landeszentralstellen der politischen Verwaltung untergebracht: Sowohl die oberste politische Landesbehörde, die lombardische bzw. venezianische Statthalterei, als auch die zentralen Landesstellen für Finanz-, Justiz-, Steuer- und Polizeiwesen hatten in Mailand und Venedig — den jeweiligen Hauptstädten der Länder Lombardei und Venetien — ihren Sitz. Verona dagegen kam, abgesehen von der zeitweiligen Residenz des General-Gouverneurs und der für beide Länder wirksamen gemeinsamen Generaldirektion für die Postverwaltung, innerhalb des lombardo-venezianischen Königreiches keinerlei überregionale Bedeutung zu: Es war eine Provinzstadt, die in ihrem administrativen Aufbau dem der anderen Provinzstädte ähnlich war 10). Die Archive der drei Städte entsprechen ihrem unterschiedlichen Verwaltungscharakter. Die Bestände des Archivio di stato in Verona sind daher vorwiegend vom lokalhistorischen Gesichtspunkt aus interessant. Die 9) Aus dem Archivführer GH Archivi di stato Italiani 405 f ergibt sich folgender Überblick über das Turiner Staatsarchiv: Sezione Prima (Via A. Luzio): I. Casa Reale (XIII—XIX sec.); II. Materie politiche relative all’estero (XIII—XIX sec.); III. Materie politiche relative all’interno: 1) Alta Polizia (1816—50), 2) Previdenze economiche (1724—1849), 3) Processi politici (1344—-1857), 4) Carte politiche; IV. Materie economiche (XIII—XIX sec.); V. Materie ecclesiastiche (IX—XIX sec.); VI. Materie giuridiche (1721—1860); VII. Materie militari (XVI—XIX sec.); Vili. Paesi (IX—XIX sec.); IX. Consiglio di Stato (an Sezioni riunite übergegangen); X. Istruzione Pubblica; XI. Segre- terie di Stato e Ministeri (XVII—XIX sec.; zum Teil an Sezioni riunite übergegangen, viel zerstört; für die österreichische Geschichte wesentliche Unterabteilung: Ministero Interno: Gabinetto); XII. Fondi vari. — Sezioni Riunite (Via S. Chiara): I. Ufficio generale déllé finanze; II. Archivio sistemato per materia; III. Commando di Malta; IV. Camera dei Conti; V. Corte di Cassazione; VI. R. Segreteria di stato di guerra; VII. R. Segreteria di stato di guerra e di marina. — Vgl. außerdem Nicomede Bianchi Le carte degli Archivi piemon- tesi politici, amministrativi, giudiziari, finanziari, comunali, ecclesiastici e di enti morali (Torino 1881). 10) Zur politischen Verwaltung in der Lombardei, vgl. Raponi Politica e amministrazione passim. 28*