Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)
SCHOBER, Richard: Belmonte und Aehrenthal. Österreichisch-vatikanische Beziehungen im Schatten der Wahrmundaffäre
298 Richard Schober was sich die politisch engagierten Katholiken von diesem Kampf erwarteten: „die Eroberung der Universitäten“ 9). Bevor wir jedoch den Auswirkungen dieses Kampfrufes Luegers weiter nachgehen, wollen wir uns den Verhältnissen in Tirol zuwenden, von wo ja der Konflikt, der hier behandelt werden soll, seinen Anfang genommen hat. In Tirol, der Hochburg der Konservativen, hatte man schon sehr früh begonnen, an der Universität in Innsbruck den Liberalen entgegen zu treten. Es war hier leichter als in Wien, denn das Einflußgebiet des Liberalismus war mehr oder weniger auf Innsbruck und die Universität beschränkt, während die Landbevölkerung gut katholisch war. Besonders ist in diesem Kampf des Reichsratsabgeordneten und späteren Landeshauptmanns Dr. Theodor Kathrein zu gedenken, der schon sehr früh den Liberalismus von der Universität zu verbannen versuchte, indem er seinen Einfluß bei der Regierung und besonders beim Kaiser verwandte, um katholische Professoren nach Innsbruck zu bringen 10). Sein Freund, der Meteorologe Prof. Dr. Josef Pernter, den ebenfalls Kathrein von Wien nach Innsbruck holte, berichtete schon 1891, daß an der Universität Innsbruck das Schlagwort umgehe: „Es gibt heute nur mehr Professoren von Kathreins Gnaden ...“ n). Nach der Gründung der katholischen wissenschaftlichen Leogesellschaft in der Mitte der Neunzigerjahre übernahm diese die Aufgabe, die Heranbildung von katholischen Gelehrten zu fördern. Man konnte nur auf diese Weise den Liberalismus an der Universität bekämpfen, denn die katholischen Studenten waren meist aus ärmeren Schichten, wenn man von den wenigen wohlhabenden Adeligen absieht. Nach den damaligen Verhältnissen blieben jedoch junge Gelehrte sehr lange ohne jedes Gehalt. Zweck der Heranbildung katholischer Gelehrter war es, wie aus einem Brief Pernters an Kathrein hervorgeht, die Wissenschaft mit der Religion zu versöhnen und auf universitärer Ebene die konservativen Politiker in ihrer Aufgabe zu unterstützen, die „Verchrist- lichung des Staates“ voranzutreiben 12). Auch die offizielle Kirche war in dieser Richtung tätig. In den Novemberkonferenzen 1901 bat der österreichische Episkopat den Heiligen Stuhl um die Genehmigung seines Vorhabens, eine katholische Universität in Salzburg zu begründen, um ein Gegengewicht zu den von den Liberalen beherrschten Universitäten zu haben. Leo XIII. antwortete: ,Euren Beschlüssen, die sich von selbst empfehlen, pflichten Wir gerne bei und billigen sie, und Wir wollen Euch offen und klar zu wissen machen, daß Wir aus Eurer Mitteilung große Freude geschöpft haben ...‘. Der Papst spendete für den Zweck sogar die ganz be9) Johann Christoph Allmayer-Beck Ministerpräsident Baron Beck (Wien 1956) 211. i«) TLA Nachlaß Kathrein: Pernter an Kathrein, 1891 Juni 14. n) Ebenda. i2) Ebenda: Pernter an Kathrein, 1891 Mai 16.