Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)
MATHIS, Franz: Neue Aspekte zur Planung des süddeutschen Feldzuges von 1704
168 Franz Mathis borough von der festen Absicht des Kaisers zu überzeugen, offensiv gegen Bayern vorzugehen. Endlich, am 8. Mai, sandte Ludwig seine Pläne über Wratislaw an Marlborough. In seinem Schreiben schlägt auch er eine gemeinsame Operation der Alliierten an der Donau vor. Dabei ist der Wortlaut so gewählt, daß er den Anschein erweckt, als wäre der Markgraf unabhängig von Wratislaw und Marlborough zu gleichen Gedanken gelangt. Daß er aber damals, also um den 8. Mai, bereits Marlboroughs Absichten kannte, zeigt die Tatsache, daß er Lescheraines und Wratislaws Kurier, der ihm die Nachrichten aus Den Haag überbracht hatte, zur gleichen Zeit an die beiden Grafen zurückschickte. Ludwigs neuer Plan sah nun drei Armeen vor: eine unter Eugens Kommando in der Gegend von Donauwörth, eine andere unter Ludwig an der Iller und eine dritte unter Marlborough zur Belagerung Ulms. Für den Fall, daß die Seemächte einer Belagerung Ulms nicht zustimmen sollten, griff Ludwig auf ältere Projekte zurück, nach denen die seemächtlichen Truppen die Aufgabe hätten, den Rhein zu sichern und damit den Armeen Eugens und Ludwigs den Rücken zu decken 81). Nachdem nun also beide Seiten, die kaiserliche und die seemächtliche, ihre Vorstellungen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht hatten, stand der Ausführung des Generalangriffs auf Bayern nichts mehr im Wege. Wenn auch im Detail die vorläufigen Pläne noch manchmal abgeändert wurden, so blieb doch die große Linie bestehen und die Aktionen, die nun Anfang Mai begannen, führten schließlich zu jener entscheidenden Schlacht von Höchstädt am 13. August 1704. Rückblickend kann man festsellen, daß dieses Unternehmen in keiner Weise schon von langer Hand — d. h. schon im Winter oder gar im Herbst — geplant worden war, sondern sich erst allmählich und den sich wandelnden Umständen entsprechend entwickelte. Weder Marlborough noch Eugen dürften, als sie sich für ein Kommando an der Donau entschlossen, geahnt haben, daß sie sich auf dem süddeutschen Kriegsschauplatz treffen würden. Wir haben aber auch gesehen, daß man sich zwar auf verschiedenen Seiten — in London, Den Haag, Aschaffenburg und Wien — über den Feldzug 1704 den Kopf zerbrach, daß es aber schließlich doch Marlboroughs Entscheidung war, die den Ausschlag gab. Ebensowenig wollen wir dabei übersehen, daß dem außerordentlichen kaiserlichen Gesandten in London, 8I) Wratislaw an Leopold, 1704 Mai 5 Den Haag (wie Anm. 79); Lescheraine an Johann Wilhelm, Mai 6 Den Haag: GStA Kasten blau 81/4 fol. 279; Ludwig an Wratislaw, Anfang Mai (wie Anm. 78); Wratislaw an Ludwig, Mai 13 Düsseldorf: Röder Kriegs- und Staatsschriften 2 24; Wratislaw an Leopold, Mai 11 Düsseldorf: Ritter Politik und Kriegführung 197 ff; Lescheraine an Johann Wilhelm, Mai 11 Düsseldorf: GStA Kasten blau 81/4 fol. 276; Davenant an Hedges, Mai 11 Frankfurt (wie Anm. 78).