Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)

MATHIS, Franz: Neue Aspekte zur Planung des süddeutschen Feldzuges von 1704

144 Franz Mathis unternehmen werde. Vier Tage später weiß Stepney Marlborough bereits etwas konkreter zu berichten, daß Eugen beabsichtige, gegen Weihnach­ten bei ihm zu sein. Am Vormittag des 20. Oktober sprach Eugen selbst den englischen Gesandten noch einmal daraufhin an; er hoffte nun, schon Mitte Dezember nach Den Haag gelangen zu können. Und sogar nachdem Stepney allein nach Den Haag abgereist war, schrieb er dem Prinzen noch ein letztes Mal nach Wien, daß Marlborough bereit sei, ihn zu treffen, wann immer Eugen es wünsche 7). Dieser Brief des englischen Gesandten stellt den letzten Hinweis auf eine Zusammenkunft der beiden einflußreichsten Persönlichkeiten am engli­schen bzw. österreichischen Hof dar, eine Zusammenkunft, die möglicher­weise entscheidende Weichen für die künftige Kriegführung der Alliierten gestellt hätte. Da aber diese Begegnung wegen Eugens Unabkömmlichkeit aus Wien nicht zustande kam, sollte Graf Wratislaws bevorstehender Auf­enthalt in Den Haag und London sehr stark an Bedeutung gewinnen, da er sowohl das Vertrauen Marlboroughs als auch das Eugens genoß 8). Es wäre nun sehr wertvoll zu wissen, mit welchen Instruktionen Wratis- law am 29. September Wien verließ, doch leider geben uns die Quellen darüber keine Auskunft. Es stellt sich vor allem die Frage, wie ausführlich sich Eugen und Wratislaw über die allgemeine Kriegslage, die Gefahr für das Reich und die Mittel einer erfolgreichen Kriegführung unterhielten. Wahrscheinlich waren sie sich einig, daß nur eine baldige Unterwerfung Kurbayerns das Reich und Österreich retten konnte und ein offensives Vorgehen auf anderen Kriegsschauplätzen ermöglichte. Zu diesem Zweck hatte Kaiser Leopold I. durch den Grafen schon im Februar 1703 die Ent­sendung eines starken englisch-holländischen Korps von circa 20.000 Mann nach Deutschland beantragen lassen, um Markgraf Ludwig die Bekämp­fung des bayerischen Kurfürsten zu erleichtern. Von einem persönlichen Erscheinen Marlboroughs in Deutschland oder gar an der Donau war da­mals noch keine Rede; im Gegenteil, Wratislaw hatte den Herzog zu über­zeugen gesucht, daß er in den Niederlanden „mit einer Superiorität von 20.000 Mann ebensoviel Glorie erwerben wird, als wenn er eine von 40.000 haben täte“ 9). Man fragt sich daher mit Recht, ob ein Zug Marlboroughs 7) Stepney an Hedges, 1703 September 29 Wien: PRO SP 80/21, und Okto­ber 20: ebenda; Stepney an Marlborough, 1703 Oktober 3 Wien: ebenda 105/70, und an Eugen, Dezember 22 Den Haag: ebenda; Bruyninx an Fagel, 1703 Sep­tember 29 Wien: Algemeen Rijksarchief Den Haag (= AR) Staten Generaal SG) 6586. 8) Stepney an Marlborough, 1703 Oktober 3 (wie Anm. 7). 9) Wratislaw an Leopold, 1703 Februar 27 London: Haus-, Hof- und Staats­archiv Wien (= HHStA) Staatenabteilungen (= StA) England 37, und 1703 März 2 London: ebenda. Vgl. Eberhard Ritter Politik und Kriegführung. Ihre Be­herrschung durch Prinz Eugen 1704 (Berlin 1934) 53 und Elfriede Mezgolich Graf Johann Wenzel Wratislaw von Mitrowitz. Sein Wirken während des Spani­schen Erbfolgekrieges (ungedr. phil. Diss. Wien 1967) 97.

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