Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)

THOMAS, Christiane: „Moderación del poder“. Zur Entstehung der geheimen Vollmacht für Ferdinand I. 1531

136 Christiane Thomas stellten sie nicht zur Diskussion. Auf diese Weise hatte der Kaiser erreicht, daß das, was er als Anregung ausgab, in der Form verbindlicher Para­graphen rückerstattet wurde. Im großen und ganzen war man sich einig, Vorschläge und Erwiderungen waren aufeinander abgestimmt. Daß die höchsten Stände des Reichs sich bei der Vergabe von Fahnenlehen (§ 3), die Karl sich Vorbehalten wollte, zugunsten eines Mithandelns Ferdinands erklärten, geschah in der Absicht, die Belehnungen nicht außerhalb des Reichs vornehmen zu lassen 139). Tenor jedes Artikels in Rede und Gegen­rede aber ist, Karl die Würde des Kaisertums ungeschmälert zu erhalten. Ferdinand führt die „frey administration“ unter Berücksichtigung der Kapitulation (noch existiert keine „moderation“, die außerdem den Für­sten nicht bekannt sein soll) (§ 5) und hat detaillierte Vorschriften über den Gebrauch des kaiserlichen Siegels und Namens zu akzeptieren (§ 4) 14°). Auch für die auf seiner Seite stehenden Kurfürsten existiert daher als Form der Machtausübung für den gewählten König vivente im­peratore nur die Administration, und mit diesem Charakter seiner Tätig­keit hatte Ferdinand seit dem Zeitpunkt zu rechnen, als die Kurfürsten zur Wahl bereit waren. Mit dem 13. November waren die Weichen gestellt. Alle nachfolgenden Akte, Wahlberatungen, Wahl, Kapitulation, Krönung und ostensible Vollmacht ändern nichts mehr an dieser Grundgegeben­heit. Umgestaltungen im Sinn größerer Zugeständnisse wären mit einer Geheiminstruktion möglich gewesen, mit deren Hilfe sich Karl nicht nur über Vorschreibungen der Kapitulation hätte hinwegsetzen können. Doch die Prärogativen einer kaiserlichen Würde, wie er sie vertrat, ließen sich mit mehr Konzessionen an den König nicht vereinen. Die Ausstellung des „sommaire memoire“ war nicht für eine „ampliatio“ der offiziellen Voll­macht genützt worden. Enttäuschung über mangelnde Unterstützung empfand Ferdinand viel­leicht bei seinen Gesprächen mit Karl in Aachen, nicht aber über die Defi­nition seines Wirkens als Administrator. War denn etwas anderes durch­führbar, sollte nicht Sachsen mit seinem Vorwurf, es werde mit vollzoge­ner Wahl zwei Herren geben 141), rechtbehalten? War es für die maß­geblich Handelnden zu Beginn des 16. Jahrhunderts überhaupt denkbar, in Ferdinand etwas anderes als den Administrator zu sehen? Das Reich hatte ein Haupt, den Kaiser, dem die Stände verpflichtet waren —, auf diesen Rang konnte Ferdinand zu Lebzeiten des Bruders nicht gehoben 13°) Die kurfürstliche Stellungnahme klingt in der Granvella-Fassung der geheimen Vollmacht an: FK 37 n. 457 c/3. 14°) Siehe oben S. 129. Nur „gemayn Sachen“ lauten auf Ferdinands Namen, alle Erlässe des Reichskammergerichts und „sonder bevelh und comission“ tra­gen Namen, Titel und Siegel Karls, Mandate in Reichssachen werden im Namen und an Stelle des Kaisers ausgefertigt: HHStA ME A WuKA 3/B fol. 126 v. 141) Ebenda fol. 71 r: mündlicher Ein wand der sächsischen Gesandtschaft vor der Wahl.

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