Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

OBERMANN, Karl: Die österreichischen Reichstagswahlen 1848. Eine Studie zu Fragen der sozialen Struktur und der Wahlbeteiligung auf der Grundlage der Wahlakten

Reichstagswahlen 1848 353 Das bedeutet, daß die Mehrheit der Bevölkerung und auch der Wahlberechtig­ten nicht hinter diesen Wahlmännem stand. Nur im 9. Wahldistrikt (Wotowice) mit 2873 Einwohnern erschienen alle 306 Wahlberechtigten zur Wahl und stimm­ten mit 305 bzw. 304 Stimmen für die 6 Landleute als Wahlmänner; desgleichen stimmten im 10. Wahlbezirk (Nicznajowa) mit 2139 Einwohnern alle 269 Wahl­berechtigten ab und wählten ihre 4 Wahlmänner (3 Landleute und 1 Pfarrer) mit 268 Stimmen. Von den 96 Wahlmännern waren 40 Landleute, 7 Grundherren, 4 Guts­pächter, 3 Förster, 1 Solteyse, 13 Pfarrer, 2 Pfarrverweser, 7 bezeichneten sich als Bürger, 7 Mandatare, 2 Dominien-Aktuare, 1 Rentamtshändler, 1 Ökonom, 1 Wirtschaftsbeamter, 1 Schreiber, 1 Zolleinnehmer, 1 Finanz­aufseher, 2 Organisten, 1 Partikulier, 1 Schmied 27). Im Wahlbezirk der Stadt und der Herrschaft Tarnow mit sechs Wahl­distrikten der Stadt mit ihren Vorstädten und 16 ländlichen Wahldistrik­ten wurden folgende Ergebnisse erzielt; In den 16 ländlichen Wahldistrik­ten mit insgesamt 33.566 Einwohnern, davon 5689 wahlberechtigt, beteilig­ten sich 2299 an der Wahl und ernannten 62 Grundwirte als Wahlmänner, 7 weniger als vorgesehen, da die Einwohner von fünf Ortschaften die Wahl verweigerten. Die Stadt Tarnow zählte mit ihren Vorstädten 14.123 Ein­wohner. Von den 1743 Wahlberechtigten beteiligten sich 1224 an der Wahl der 28 Wahlmänner, die durchschnittlich mit einer „absoluten Mehrheit“ von 50—80% der Anwesenden gewählt wurden. Zu Wahlmännern wurden ernannt: 8 jüdische Handelsleute, 1 jüdischer Weinhändler, 1 jüdischer Mehlhändler, 3 Landesadvokaten, 1 Ortsrichter, 2 Juristen, 1 Justitiar, 1 Landrechtssekretär, 1 Spiritual des Tarnower Seminariums, 1 Guts­besitzer, 1 Gastgeber bzw. Gastwirt, 1 Schlossermeister, 6 bezeichneten sich als Vorstädtler 2S). Weitere Berichte aus Wahlbezirken Galiziens bringen nur unvollstän­dige Angaben über Einwohner und Wahlberechtigte. So heißt es im Be­richt über den Wahlbezirk Brzesko, der 65.475 Einwohner zählte, daß zwar 138 Wahlmänner ernannt werden sollten, jedoch tatsächlich nur 26 gewählt wurden, und zwar 9 Grundwirte, 1 Bauer, 3 Markt-Insassen, 1 Tabakfabrikant, 1 Apotheker, 1 Handelsmann, 1 Magistratsvorsteher, 1 Ortsrichter, 1 Mandatar, 1 Gemeindeschreiber, 4 Gärtler, 2 Städtler. In 13 Ortschaften erfolgte die Wahl dieser Wahlmänner, während sich die Einwohner von 50 Ortschaften weigerten, eine Wahl vorzunehmen. Von den 26 erschienen am 14. Juni nur 13 Wahlmänner und wählten „ein­stimmig“ Maximilian Machaiski zum Reichstags-Abgeordneten, einen Dok­tor der Rechte, der im Reichstag auf der rechten Seite saß, also keinen Anspruch erheben konnte, wirklich die Bevölkerung seines Wahlbezirks 27) Ebenda Bund 1; bei den Mandataren handelt es sich wahrscheinlich um Rechtsanwälte. Für Solteyse vgl. Anm. 39. 28) Ebenda Bund 1: Rapport 1 von 1848 Juni 16 und Rapport 2 von 1848 Juni 20. Mitteilungen, Band 26 23

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