Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)
WELTIN, Max: Kammergut und Territorium. Die Herrschaft Steyr als Beispiel landesfürstlicher Verwaltungsorganisation im 13. und 14. Jahrhundert
44 Max Weltin haben die „urbarleut in beiden ambtern der hofmarch“ gegenüber der Herrschaft Steyr gewisse Sonderrechte 232). Die Hof mark ist also ein Teil der Herrschaft Steyr, sie setzt sich aus dem oberen und niederen Amt Hall zusammen und — was besonders wichtig ist — sie geht nicht auf traun- gauischen Besitz zurück und ist erst unter Ottokar II. zu Steyr gekommen. Ottokar hatte dabei, wie erinnerlich, Landgerichtsrechte der Volkensdorfer und vielleicht auch der Rohrer verletzt. Die Volkensdorfer haben 1282 von den Habsburgern die Erlaubnis erhalten, ihre seinerzeit zerstörte Burg wieder aufzubauen, gleichzeitig wurden sie auch wieder zu Lehensträgern des Landgerichtes zwischen Traun und Enns 233). Sie haben nun auch sehr wahrscheinlich als Geschädigte des Böhmenkönigs hinsichtlich der aus ihrem Landgerichtssprengel herausgenommenen Ämter von Hall Forderungen gestellt. Das fiel umso leichter, da wir ja anhand der Nota inquisicionis gesehen haben, daß die Habsburger die von Ottokar in der Herrschaft Steyr gesetzten Rechtshandlungen für ungültig erklärten. Albrecht dachte natürlich nicht daran, die Eingliederung Halls rückgängig zu machen, war aber offenbar zu einem Vergleich mit den Volkensdorfern bereit gewesen 234). Die Haller Ämter blieben als Niedergerichtsbezirk im Herrschaftsverband von Steyr (daher der Name Hofmark), die Blutfälle aber sollten in die Kompetenz des früheren Landgerichtes fallen. Aus aktuellem Anlaß ließen sich die Steyrer den so geschlossenen Kompromiß verbriefen 235). Jetzt können wir den Artikel 1 mühelos interpretieren: der „iudex civitatis“ = Burggraf von Steyr liefert die innerhalb der Hofmark Hall vorkommenden Blutfälle dem Waltboten des Landgerichtes Volkensdorf aus, die sich aus der Niedergerichtsbarkeit ergebenden einträglichen Bußen kassiert aber weiterhin der „iudex civitatis“ 236). 232) österreichische Weistümer 13 (Öberösterreichische Weistümer 2, Graz— Köln 1956): Für die Urbarleute der Herrschaft Steyr kassiert der Pfleger oder Burggraf das Siegelgeld (274 Artikel 2), in der Hofmark soll der Richter zu Hall das Siegelgeld einnehmen (274 Artikel 4). 233) UBOE 3 548 (1282 Mai 24 Wien); vgl. Strnadt Traun und Enns 584f. 234) Ein solcher Ausgleich scheint auch die „Gerichtsordnung des Landes ob der Enns“ gewesen zu sein (UBOE 4 308 f: 1299 März 23 Zürich). Vor dem oberen Landrichter ob der Enns sollte dabei über alle Güter prozessiert werden, die Grafen und Landherren den Klöstern geschenkt hatten. Güter, über die früher vor dem unteren Landgericht gehandelt worden ist, sollten weiterhin unter dessen Kompetenz fallen: Hageneder Landtaiding 299. Das „Gericht ob der Enns“ ist aber in diesem Falle mit der späteren Hauptmannschaft identisch, deren größten Teil zu diesem Zeitpunkt das Landgericht Volkensdorf eingenommen hat. 235) ßie Restauration der Volkensdorfischen Gerechtsame war ein Eingriff in die von Ottokar geschaffenen und von Albrecht im wesentlichen beibehaltenen obderennsischen Rechtsverhältnisse. Artikel 1 des Steyrer Stadtrechtes und die Gerichtsordnung von 1299 haben ihre Ursache in der Notwendigkeit, sich mit den Volkensdorfern zu vergleichen. 236) Zum Ertrag der Landgerichte Kl ebei Rechts- und Verfassungsgeschichte 30 f.