Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

WELTIN, Max: Kammergut und Territorium. Die Herrschaft Steyr als Beispiel landesfürstlicher Verwaltungsorganisation im 13. und 14. Jahrhundert

Kammergut und Territorium 41 dem Raum der Herrschaft zur Deckung gebracht werden kann. Aus der Bestimmung von 1287 „Item prefati cives ab omni theloneo per fora queli- bet et quecumque infra duas rastas a civitate Styrensi posita sint exempti“, erkennt er einen Zollbezirk 221). Dieser ist nun aber nicht mehr so leicht mit dem Raum der Herrschaft zur Deckung zu bringen, da Mitterauer die beiden Rasten gemessen vom Burgfrieden der Stadt annimmt, innerhalb eines auf diese Art gewonnenen Gebietes aber keine vollberechtigten Märkte zu finden sind 222). Der dadurch aufgetretenen Schwierigkeit ent­geht er, indem er den Zweirastenbezirk ebenfalls mit der Herrschaft zur Deckung bringt, „theloneum“ mit Standgeld übersetzt und annimmt, die Zollfreiheit der Steyrer beziehe sich nur auf die näher gelegenen, minder­berechtigten Marktorte. Obwohl diese Erklärung nicht gerade überzeugend ist, bringt Mitterauer den Zweirastenbezirk mit einem „älteren Hoheits­bezirk“ in Zusammenhang, der genau wie die 1356 genannte Bannmeile der Ausdehnung der Herrschaft Steyr entspräche. Auf diese Weise erhält er drei Wirtschaftsbezirke, „deren fester Kern das Gebiet der späteren Hofmark bzw. Herrschaft Steyr gewesen ist. Einmal mehr zeigt sich am Beispiel Steyrs, daß die seit dem 13. und 14. Jahrhundert auftretenden Meilen- und Rastenbezirke durchaus keine willkürlich konstruierten Neu­schöpfungen sind, sondern im wesentlichen auf ältere Jurisdiktionsdistrik­te und Hoheitsbezirke zurückgehen“ 223). Mitterauer bekundet mit seiner Darstellung der Zustände in der Herrschaft Steyr gegen Ende des 13. Jahr­hunderts viel Scharfsinn und Phantasie — wobei die letztere zweifellos überwiegt. Geht man nämlich weniger von einem vorgefaßten Schema aus, in das man die Quellen, nach Bedarf interpretiert, preßt, dann ergibt sich ein gänzlich anderes Bild. Mit der Gleichsetzung der Urkunden von 1356 und 1287 nimmt Mitter­auer zunächst stillschweigend an, die Stadt Steyr habe schon im 13. Jahr­hundert einen Burgfrieden ausgebildet. Steyr konnte aber einen Burg­frieden erst nach seiner Herausnahme aus dem herrschaftlichen Land­gericht ausbilden, das heißt, sobald ein selbständiger, allein an der Spitze der Bürgergemeinde stehender Stadtrichter neben dem herrschaftlichen Burggrafen vorhanden war. Wir konnten oben zeigen, daß das erst zwi­schen 1321 und 1325 geschehen sein kann. Folglich ist der Meilenbezirk als Neuschöpfung des 14. Jahrhunderts durchaus wörtlich zu nehmen: er ist nichts weiter als eine Begünstigung des Herzogs für die Steyrer Bürger auf Kosten seiner Herrschaft. Unter der „civitas“ ist, wie wir ebenfalls schon dargelegt haben, die Stadt mit der Herrschaft bzw. der beide um­schließende Landgerichtssprengel zu verstehen. Dieser „civitas“ stand der „capitaneus civitatis“ bzw. der „iudex civitatis“ vor, dessen Zuständigkeit 221) Schwind-Dopsch AU 144. 222) Mitterauer Zollfreiheit 258. 223) Ebenda 259.

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