Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

WELTIN, Max: Kammergut und Territorium. Die Herrschaft Steyr als Beispiel landesfürstlicher Verwaltungsorganisation im 13. und 14. Jahrhundert

10 Max Weltin Einen ähnlichen Eindruck hinterläßt die Organisation des zweiten gro­ßen Kammergutsbezirkes im Süden der Donau, die aus den „predia Erbi- polensia“ hervorgegangene spätere Burgvogtei Wels45). Aus den schon vielfach ausgewerteten sogenannten „Kremsmünsterer Briefen“ ergibt sich die Existenz eines Oberoffizials namens Heinrich Vorprot und zumindest die eines Unteroffizials „in partibus Welse constitutus“46). Ergänzend wäre dazu zu erwähnen, daß sich in dem innerhalb der „predia Erbipolen- sia“ gelegenen Amt Kirchdorf/Krems um 1250 ein Pilgrim als Amtmann nachweisen läßt 47). Diese größere Differenzierung bei den Verwaltungs­organen legt ja allein schon die relative Großräumigkeit der Herrschaften Wels und Steyr nahe. Schwieriger zu lösen ist das Problem, ob die beiden Kammer­gutskomplexe ihrerseits in einer Zentralstelle koordiniert waren. Im Grun­de scheint die Frage falsch gestellt, da sie von der Annahme einer moder­nen Zentralverwaltung ausgeht. Richtig muß sie lauten: Welche besonde­ren Umstände haben Instanzen hervorgebracht, die, oberflächlich gesehen, den Eindruck einer übergeordneten, mehrere Einheiten zusammenfassen­den Organisationsform entstehen lassen? Von solchen Gesichtspunkten ausgehend wird man nur mit Vorsicht schwerwiegende staatsrechtliche Konsequenzen mit dem Auftreten bestimmter Amtleute in Verbindung bringen. Dopsch jedenfalls sieht in dem 1240 nachweisbaren „scriba ducis in Anaso“ eine Zentralinstanz, der die landesfürstlichen Besitzungen und die Regalien unterstellt gewesen seien 48). Daß dies erst zu einem verhältnis­mäßig späten Zeitpunkt geschehen sei — immerhin ist ein „scriba Austrie“ seit 1216 zu belegen — wird damit begründet, daß der Traungau vor 1240 zur Steiermark gehört habe. Mit der Installierung des Ennser Schreiber­amtes habe Friedrich der Streitbare den Traungau von der Steiermark getrennt49). Abgesehen davon, daß die Vorstellung der Konstituierung von Molln) a nullo vestrum offendatur“; LFU 1/1 179: „de officio Pilgrimi de Celle“. 46) Vgl. Herta Eberstaller Die Burgvogtei Wels von den Anfängen bis zum Jahre 1435 in Jahrbuch des Musealvereins Wels 6 (1959/60) 13 ff. 46) Willibrord Neumüller — Kurt Holter Kremsmünsterer Briefe aus der Zeit des Interregnums in Festschrift zur Feier des zweihundert jährigen Be­standes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs 1 (= MÖStA Erg. 2/1, 1949) 419. Die Herausgeber setzten Heinrich Vorprot irrig mit dem Absender des Briefes gleich. Zur richtigen Lesung Hageneder L andtaiding 287. 47) UBOE 3 174 f. Die Offiziale der Herrschaft Wels sind ebenfalls eine babenbergische Einrichtung; vgl. Rainer Mies- Günter V o r b e r g Zur Struk­tur des landesfürstlichen Besitzes. Die oberösterreichischen Ämter im Süden der Donau nach dem Urbar des 13. Jahrhunderts in MOÖLA 8 (1964) 378. 4S) Dopsch Finanzverwaltung 255 f. 49) Ebenda 258 und besonders Zibermayr Noricum 435, der 1240 sogar ein ehemaliges Dreigrafschaftsgebiet wiedererstanden wissen will.

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