Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)
HALLER, Brigitte: Kaiser Friedrich III. und die Stephanskrone
116 Brigitte Haller IV Ladislaus’ plötzlicher Tod stellte Friedrich vor die Entscheidung, wo er die Nachfolge der Albertiner beanspruchen sollte. Was die österreichischen Länder betrifft, waren die Verhältnisse eindeutig und durch verschiedent- liche Hausverträge geregelt, wenn man von den von seiten Albrechts VI. und Siegmunds von Tirol zu erwartenden Schwierigkeiten absah. Dazu kam das Cilliererbe, das Friedrich schon zu Lebzeiten des Ladislaus kraft seiner kaiserlichen Autorität und unter Berufung auf die Erbverträge von 1443 117) einzuziehen versucht hatte. Hier war nun der aussichtsreichste Mitbewerber durch den Tod abgegangen. Anders stand es mit den Königreichen Böhmen und Ungarn, von denen man nicht recht wußte, ob sie Wahl- oder Erbreiche seien. Friedrich selbst unterscheidet in seinem Notizbuch deutlich zwischen der „poshait“ der Österreicher und der der Ungarn und Böhmen, denn „was poshait si [sc. die Österreicher] tuend, das geschieht wider ir erblich herschaft, aber die Ungar und Pehem die handeint nuer wider ir erbelt hern“ 118), betrachtet sie also offensichtlich als Wahlreiche. Wie schon vordem in seiner Rolle als Vormund des Ladislaus vermied es Friedrich, sich in Böhmen zu engagieren, wobei neben dem fraglichen Erbanspruch die verwickelten kirchlichen Verhältnisse entscheidend gewesen sein mochten. Als Kaiser wäre es Friedrich immerhin zugestanden, Böhmen als erledigtes Reichslehen neu zu vergeben U9). Erst nach Georg Podiebrads Wahl traten Albrecht VI. und Herzog Siegmund als Anwärter auf die böhmische Krone auf I2°), und Friedrich machte zumindest seine Ansprüche auf Mähren geltend 120 121), das Albrecht V. (II.) von Kaiser Siegmund als Heiratsgut verschrieben worden war. Interessanterweise ist die sogenannte Anonyme Chronik, die vielleicht die Volksmeinung in Österreich wiedergibt, ganz entschieden der Ansicht, daß Böhmen und mehr noch Mähren dem Haus Habsburg gebührten wegen der alten Erbverträge mit dem „haws von Pehem“ und weil Albrecht V. Mähren persönlich erworben hätte 122). Un117) G u b o Erbstreit 58. us) Lhotsky AEIOV 200. i*9) Enea Silvio weist mehrmals auf diese theoretische Möglichkeit hin: vgl. Historia Bohemica in Opera geographica et historica 1 (Francof. et Lipsiae 1707) 98 und Commentarii 127. 120) Adolf Bachmann Urkunden und Aktenstücke zur österreichischen Geschichte im Zeitalter Kaiser Friedrichs III. und König Georgs von Böhmen (FRA 2/42 [1879]) 146 ff n. 152; vgl. Heinrich von Zeißberg Der österreichische Erbfolgestreit nach dem Tode des Königs Ladislaus Postumus (1457— 1458) im Lichte der habsburgischen Hausverträge in AÖG 58 (1879) 144 f. isi) HHStA AUR 1458 April 7. Lichnowsky 7 Reg. 35; vgl. Zeißberg Erbfolgestreit 145. 122) Rerum Austriacarum historia 1454—1467, hg. v. Adrian Rauch (Vindobonae 1794) 41 f. Der Chronist meint, die Länder seien nur verloren worden, weil der Kaiser und die österreichischen Erzherzoge sie einander nicht gegönnt