Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky

WIESFLECKER, Hermann: Das älteste russische Originaldokument in Österreich?

146 Hermann Wiesflecker ihren Großfürsten, worüber sich dieser später lebhaft beklagte. Mag sein, daß der Kaiser den „heidnischen“ Russen zu verstehen geben wollte, daß er eine zu nahe Verbindung, etwa gar eine Heiratsverbindung seines Sohnes mit ihnen, nicht wünsche. Anders Maximilian: er schickte sich an, eine neue Ostpolitik einzulei­ten, und gedachte, gegen die jagiellonische Großmacht in Ungarn, Böhmen und Polen den Großfürsten von Moskau auszuspielen. Im Februar 1490 schickte Maximilian seinen eigenen Gesandten, Georg von Thurn17), zugleich mit Trachaniot nach Moskau, wo er am 16. Juli 1490 beim Großfürsten eintraf, dort besonders ehrenvoll empfangen18) und sogar zur Tafel eingeladen wurde. Auch Großfürstin Sophia würdigte den Gesandten eines Empfanges, wobei er ihr, außer venezianischen Stoffen, einen Papagei als Geschenk des Römischen Königs überbrachte. Georg von Thurn hatte Ivan III. vor allem Maximilians Ansprüche auf das Königreich Ungarn vorzutragen 19), das inzwischen durch den Tod des Königs Matthias (1490) frei geworden war, wofür ihm der Großfürst ohne alle Umschweife die volle Waffenhilfe Rußlands versprach. Ivan wollte außerdem König Kasimir von Polen und die Jagiellonen mit aller Macht angreifen, wenn Wladislaw von Böhmen oder einer seiner Brüder Maxi­milian in Ungarn entgegenträte. Weniger ernst war es Maximilian zweifellos mit seiner Werbung um eine der Töchter Ivans, hatte er doch bereits um Anna von der Bretagne freien lassen 20). Da der Großfürst persönlich eine Werbung angeregt hat­te, konnte man diesen Wunsch nicht einfach überhören; es mußten also die Bedingungen so gestellt werden, daß sie sich für den Großfürsten als un­vorteilhaft erledigten. Maximilian forderte für eine Heirat russische Hilfe­leistung auch an den westlichen Reichsgrenzen gegenüber Frankreich. Nochmals wünschte der Gesandte die „Braut“ zu sehen und erkundigte sich geradezu unverschämt nach der Höhe der Aussteuer 2I). Wohl bewußt verletzte man damit russische Gewohnheiten, weil man offenbar von einer Heirat im Ernst nichts wissen wollte. Umgekehrt stellte auch der Groß­fürst für eine Ausheirat seiner Tochter schwierige Bedingungen, wie die Achtung ihres orthodoxen Bekenntnisses, den Bau einer orthodoxen 17) Thurn, aus dem slowenischen Grenzgebiet stammend, war des Russi­schen einigermaßen mächtig; er nannte sich auch della Torre (Jurij Delator); Poppel scheint über die Sendung Thurns verärgert und eifersüchtig gewesen zu sein und versuchte seither, noch einmal ins Geschäft zu kommen; vgl. dazu (Denkmäler) I/X, 52—56; vgl. auch ebenda 25 ff (Kredenzbrief Maximilians von 1490 Februar 17 an Ivan III.); Übersberger 1, 18ff; Karge 269; Lei­pol d 10 f; S t o y 9. 18) Ausführliche russische Berichte über den Empfang: (Denkmäler) 1/1, 24—34. 19) Ebenda 28 ff; Karge 269; L e i p o 1 d 11. 2°) Wiesflecker Maximilian 1, 323 ff. 2i) Denkmäler) 1/1, 30; Strahl 534.

Next

/
Thumbnails
Contents