Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky

APPELT, Heinrich: Die libertas affectandi des Privilegium minus

140 Heinrich Appelt Dynastie nach ihrem Ermessen durch Erbabmachungen zu ordnen. Das österreichische Privilegium minus ist eines der frühesten und interessan­testen Symptome dieser Entwicklung. Man darf aber auch nicht vergessen, daß es sich vom rechtlichen Stand­punkt aus um ein Privilegium im strengen Sinn des Wortes handelt, um eine nach zähem politischem Ringen erreichte Gewährung von Sonder­rechten also, die nur diesem einen Fürsten zuerkannt werden und deren Zustandekommen sich ausschließlich aus einer konkreten machtpolitischen Situation erklärt, nicht aus einer allgemeinen, überall in gleicher Weise auftretenden Tendenz. Daher kommt Vergleichen mit anderen Abmachun­gen, die in Einzelheiten an die Bedingungen erinnern, unter denen der Streit um das Herzogtum Bayern beigelegt wurde, nur begrenzte Bedeu­tung zu. In ungemein eindrucksvoller Weise hat jüngst Heinrich Bütt­ner 18) gezeigt, daß anläßlich der vermutlich Ende 1151 vollzogenen Schenkung der Burg Schöneburg an die Mainzer Kirche durch den Grafen Hermann II. von Winzenburg zwei Punkte ausbedungen wurden, die im Minus wiederkehren, nämlich die Doppelbelehnung des Grafen und seiner Gemahlin und das Recht des Vasallen, im Falle söhnelosen Todes den Nachfolger im Lehen vorzuschlagen. Bei aller Unterschiedlichkeit in den Voraussetzungen und im Zustandekommen der beiden Vereinbarungen liegt die Übereinstimmung in dem rein dynastischen Interesse an der Absicherung familien- und vermögensrechtlicher Ansprüche gegenüber dem Lehensherrn. Die Doppelbelehnung garantiert der Gräfin von Win­zenburg ebenso wie der Herzogin von Österreich die Wahrung der For­derungen, die sich aus den Vereinbarungen über Mitgift und Morgengabe ableiten ließen; das Recht, über die Nachfolge de facto zu entscheiden, läßt dem Inhaber des Lehens in dieser für ihn höchst bedeutsamen poli­tischen Frage freie Hand. Beides erklärt sich unmittelbar aus den Interes­sen und aus dem Rechtsdenken des deutschen Hochadels, der sich seit dem 12. Jahrhundert immer stärker dem Reichsoberhaupt gegenüber durchzu­setzen vermag. 18) Heinrich Büttner Das politische Handeln Friedrich Barbarossas im Jahre 1156 in Blätter für deutsche Landesgeschichte 106 (1970) 57 und 62; Mainzer Urkundenbuch 2/1, 322 n. 173.

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