Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky

APPELT, Heinrich: Die libertas affectandi des Privilegium minus

Die libertas affectandi des Privilegium minus 137 gebraucht; hier ist allerdings die Gleichsetzung mit „donatio“ keine völlig eindeutige. Umso klarer liegt ein anderer Fall aus den siebziger Jahren des 12. Jahrhunderts. Da verpfändet ein Kreuzfahrer Gottfried die Vogtei eines Dorfes dem Kapitel von Lüttich: „invadiationis affectationem ... in manum domini Amalrici ... canonici et archidiaconi nostri manu pro­pria libere et absolute posuit“ n). Allerdings bedeutet „affectatio“ hier wohl nicht „charta“, ,Urkunde1, wie die Bearbeiter des Mittellateinischen Wörterbuches meinen, denn es wurde vermutlich nicht das Pergament, sondern ein Symbol der Pfandschaft in die Hände des bevollmächtigten Vertreters des Kapitels übergeben; dieser Akt aber wird „affectatio“ ge­nannt. Alle bisher besprochenen Belege deuten nach dem Westen, in den fran­zösischen Sprachbereich. Von dem isolierten Auftreten des Wortes „affec­tatio“ im Reimser Diplom Karls des Kahlen von 847 abgesehen, entstam­men sie auffälligerweise dem Raum der Diözese Lüttich. Daß dies kein bloßer Zufall ist, lehrt das letzte und in gewissem Sinne instruktivste der Beispiele, die das Mittellateinische Wörterbuch erbringen konnte. Im Jahre 1234 bittet Cono von Reuland seinen Herrn Wirich von Berburg (in Luxemburg), seinen Schwager mit einem Zehent zu belehnen: „rogavi eum, ut ... decimam Eustassio meo sororio legaliter affectaret“. Wirich er­füllt dieses Begehren: „ipsam ei sine contradictione aliqua plenarie affectavi“11 12 13). Nun existiert über den gleichen Rechtsakt eine weitere, ausführlicher gehaltene Urkunde aus demselben Jahre in französischer Sprache ls). In der Formulierung des Rechtsinhalts entspricht sie wörtlich dem lateinischen Text. Da aber ausdrücklich gesagt ist, Wirich von Ber­burg habe die Zehent Verleihung aufgrund des Urteils seiner Mannen („per iudicium meorum hominum, par le jugement de mes homes“) voll­zogen, muß man annehmen, daß die rechtsverbindlichen Erklärungen an seinem Lehenshof in französischer Sprache abgegeben wurden. Die ent­sprechenden Phrasen lauten in der französischen Urkunde: „je ... priai mon signour Werri qu’il ceste disme affaitaist bien et lealment a Ystaisse mon serourge ... et je, Werris de Biaurepaire, ... mis Istaisse Persant en ceste disme et li affaitai tout entierement“. Dem lateinischen „affectare“ entspricht also in der lebendigen, mündlichen altfranzösischen Rechtssprache der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts „affaiter“, und zwar in einer Zone, in der sich deutsche und französische Sprache und Sitte überschneiden und die feudalrechtlichen Anschauungen des Westens gegen Osten hin Vordringen. 11) Bormans-Schoolmeesters Cartulaire de Liege 1, 91 n. 54. 12) Camille W a m p a c h Urkunden- und Regestenbuch zur Geschichte der altluxemburgischen Territorien 2 (Luxemburg 1938) 288 n. 266. 13) W a m p a c h n. 267.

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