Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky

MOHR, Walter: Die Rolle Bayerns in der Komposition der Annales regni Francorum

123 Walter Mohr Grifo war ja der Sohn Karl Martells aus dessen Ehe mit der aus Bayern stammenden Swanahild 6), besaß also schon auf Grund dieses Um­standes nach dorthin Verbindungen. Hier war Tassilo, der Sohn des soeben verstorbenen Herzogs Odilo, noch minderjährig, die Regentschaft führte seine Mutter Hiltrud, die wiederum eine Tochter Karl Martells war und die auf Anraten ihrer Stiefmutter Swanahild nach dem Tode ihres Vaters nach Bayern geflüchtet war und dort Herzog Odilo geheiratet hatte7), dessen Feindschaft gegen die Franken möglicher Weise auf Erbansprüchen beruht hatte, die er durch diese Heirat glaubte erheben zu können 8). In dieser Hinsicht ist es auffallend, daß die Reichsannalen von Hiltrud erst in Verbindung mit Grifos Erscheinen in Bayern im Jahre 748 sprechen und dabei nicht angeben, wer sie ist. Grifo nun setzte sich in Bayern an die Stelle seiner Halbschwester und ihres Sohnes Tassilo, und da in allen vorhandenen Quellenberichten zu erkennen ist, daß er dabei auch Anhang fand9), war vielleicht dort die Regentschaft der fränkischen Hausmeiertochter für Tassilo unbeliebt. Die Episode blieb indes ein kurzes Zwischenspiel, Pippin unterwarf sich das Land und setzte Tassilo wieder in das Herzogtum ein. Hiltrud wird dabei in den Reichsannalen nicht mehr erwähnt, denen offensichtlich sehr daran gelegen ist, ihre Person im Hintergrund zu belassen, wahrscheinlich um die nähere Verwandtschaft zwischen Tassilo und Pippin nicht zu sehr in Erscheinung treten zu lassen. Pippin scheint jetzt die bayrischen Ver­hältnisse eng überwacht zu haben10 ii)), Tassilo steht auch weiterhin im Schatten der fränkischen Politik u). Die Reichsannalen berichten erst wieder zum Jahre 757 über Bayern, und zwar von den kräftigen vasallitischen Bindungen, die Tassilo durch viele Eide und durch Treueversprechen gegenüber Pippin und seinen Söhnen eingehen mußte. Die Tragweite des Vorgangs wurde noch durch «) Swanahilds Tante war vielleicht Herzogin von Bayern gewesen, wenn man die in Contin. Fredeg. c. 12 (p. 175) genannte „matrona Beletrudis“ mit der Gemahlin Herzog Theodoalds und später Herzog Grimoalds gleichsetzen darf. Vgl. Theodor Breysig Jahrbücher des fränkischen Reiches 714—741. Die Zeit Karl Martells (Leipzig 1869) 53; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. von Max Spindle r, 1 (München 1967) 123, natürlich unter der Voraussetzung, daß Breysigs Bezugsetzung des Ausdrucks „cum nepta sua“ auf Karl Martell geändert werden muß auf Beletrudis. 7) Contin. Fredeg. c. 25 (p. 180). Vgl. Mikoletzky in Festschr. Stengel 149. 8) Vgl. Mohr Fränkische Kirche 22 f. ») Vgl. dazu auch HB d. bayer. Gesch. 1, 126 Anm. 6. i») Vielleicht wurde Hiltrud die Vormundschaft für Tassilo belassen; so HB d. bayer. Gesch. 1, 127. Die Ann. Mosellani vermelden zum Jahre 754 (MG SS 16 [1859] 495): „Et Hiltrud mortua“, was nicht auf eine von ihr noch gespielte bedeutendere Rolle deutet. ii) Vgl. dazu Sigmund R i e z 1 e r Geschichte Baierns 1 (Gotha 1878) 151.

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