Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

SCHMID, Georg E.: Die Coolidge-Mission in Österreich 1919. Zur Österreichpolitik der USA während der Pariser Friedenskonferenz

Die Coolidge-Mission in Österreich 1919 443 years, been so palpable that it is now the fashion, at least in England and America, to regard it as having been an artificial creation based from the first on wrong principles, built up by force, and maintained by tyranny. Even those who have realized that it has had a legitimate place in the European political world ... have often failed to grasp what have been the conditions of her growth and the sources of her strength“ 37). Selbst dieser kurze Absatz läßt auf ein gewisses Verständnis Coolidges für Alt-Österreich schließen, das gerade an der Jahreswende 1918/1919 durchaus nicht gang und gäbe war. 1910 war er zuletzt in Wien gewe­sen 38) und dürfte damals wohl kaum den nahen Untergang geahnt haben. Der Zusammenbruch im Herbst 1918 dürfte für ihn als Über­raschung gekommen sein, und im großen und ganzen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß er durchaus gewisse emotionale Bindungen an Alt-Österreich und insbesondere dessen Zentrum Wien besessen hatte. Wie erwähnt, wußte die Gesandtschaft in Bern über die Coolidge- Mission gut Bescheid, und bald ergänzte sie die schon zuvor relativ er­schöpfende Berichterstattung mit der übertriebenen Feststellung, daß der Kommission eine große Bedeutung beizumessen sei, da man sich in Paris nach ihren Berichten orientieren werde39). Diese Überbewertung der Coolidge-Mission, die hier zum ersten Mal deutlich faßbar und nachweis­bar ist, ist charakteristisch für die falschen Auffassungen, die man nahezu durchgehend in den Nachfolgestaaten über die Konferenz und ihre Organe hegte. Die herbe Desillusionierung, die der Friedensvertrag später den Österreichern brachte, beruht nicht zuletzt darauf, daß man etwa der Coolidge-Mission viel größeren Einfluß nachsagte, als ihr tatsächlich eig­nete. Später richteten sich dann die bitteren Vorwürfe gegen den Vertrag und die für ihn verantwortlichen Politiker nicht gegen die Coolidge- Mission, sondern pauschal gegen „Paris“. Der angenommene, jedoch nicht wirklich bestehende Antagonismus zwischen freundlich gesinnter Mission und dem feindlich gesinnten Paris taucht auch heute noch gelegentlich im Geschichtsbild auf und geht jedenfalls in seinen Ursprüngen spätestens auf den Jänner 1919 zurück. In Bern war man in der Lage, eine klare Unterscheidung zwischen der Lebensmittelkommission und derjenigen Coolidges zu ziehen, über deren politische Natur mit der Zielsetzung der reinen Beobachtung Wien offen­bar von Anfang an theoretisch Kenntnis hatte, wenngleich auch die daraus sich ableitenden Implikationen nicht klar durchschaut worden sein mögen. Etwa zur gleichen Zeit — also Anfang Jänner 1919 —- war noch eine weitere Mission in den Ländern der ehemaligen Donaumonarchie 37) Archibald Cary Coolidge The Break-up of the Habsburg Empire in Ten Years of War Peace 242; vgl. Anm. 15. 38) Tagebuch Redlichs 2, 329. 30) Baron de Vaux an das Staatsamt des Äußeren, 1919 Jänner 2: HHStA NPA 365.

Next

/
Thumbnails
Contents