Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

SCHMID, Georg E.: Die Coolidge-Mission in Österreich 1919. Zur Österreichpolitik der USA während der Pariser Friedenskonferenz

Die Coolidge-Mission in Österreich 1919 Zur Österreichpolitik der USA während der Pariser Friedenskonferenz Von Georg E. Schmid (Salzburg) Als die Pariser Friedenskonferenz am 18. Jänner 1919 offiziell begann, waren die auf dem Boden der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie entstandenen Nachfolgestaaten bereits einigermaßen konsoli­diert. Diese Entwicklung entsprach im Grunde nicht den Erwartungen und der ursprünglichen Nachkriegsplanung der USA; in Washington hatte man lange Zeit damit gerechnet, die Lösung der österreichisch-ungarischen Probleme in ihrer Totalität anstreben zu müssen. Hatte man zunächst im­mer den ganzen österreichisch-ungarischen Komplex homogen behandelt, so erfolgte im Laufe des Jahres 1918 die Umorientierung, die ein stärkeres Hervortreten der neuen nationalstaatlichen Einheiten in der US-ameri­kanischen Nachkriegsplanung hervorrief. Noch einige Monate vor Beginn der Konferenz begann sich daher suk­zessive die Ansicht durchzusetzen, daß die rein theoretischen Untersuchun­gen der Inquiry, jener US-Stelle also, die sich primär mit der Nach­kriegsplanung befaßte, mit ihren enormen Mengen an informativem Material vielfach bloß statistischer Natur als solide Basis der Konferenz nicht ausreichen würden *)• Eine weitere Überlegung, daß sich nämlich die Verhältnisse vor allem in Mitteleuropa durch die Dismembration Österreich-Ungarns so sehr verändert hätten, daß entsprechende Memo­randen der Inquiry in manchen Punkten überholt wären, spielte zusätz­lich eine große Rolle. Die lockere, eine bedeutende Unabhängigkeit vom US State Department und vom Präsidenten mit einschließende Organi­sationsform der Inquiry hatte es zunächst erlaubt, nach einem nur schwer faßbaren Übergangsprozeß die Fachleute der Inquiry teilweise als Berater der American Commission to Negotiate Peace nach Paris zu senden. Diese Zusammenhänge zwischen der die Konferenz vorbereitenden Inquiry und der eigentlichen Verhandlungskommission liegen noch weit­gehend im Dunkel, die personelle Kontinuität kann aber als sicher an­genommen werden. Dies brachte unter anderem den Vorteil mit sich, daß schließlich in Paris Fachleute zu Verfügung standen, die mit den anste- i) i) Zum Problem der Inquiry vgl. die Monographie von Lawrence E. Gel­fand The Inquiry. American Preparations for Peace, 1917—1919 (New Haven, London 1963). Mitteilungen, Band 24 28

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