Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

GARDOS, Harald: Österreich und die Türkei nach Sistowa. Das Jahr 1792

368 Harald Gardos Festungen des Landes vertrieben worden war, wieder dahin zurück­kehrte. Der nach Sistowa ernannte Pascha von Belgrad, Abu Bekr, erhielt daher einen Ferman 110 *) mit auf den Weg, der allen Janitscharen ver­bot, das Paschalik Serbien zu betreten ul). Im Osten durch Paswanoglu und seine Banden gedeckt, mißachteten die Betroffenen diesen Befehl, nahmen in Passarowitz, Semendria und anderen Festungen ihre Wohn­sitze wieder ein, bildeten starke Verbände und bedrohten Belgrad 112 113), das sie am 23. Oktober tatsächlich eroberten. Sie bewahrten — vertraten sie doch ideologisch die „alte Ordnung“ — dabei unter ihrem Anführer Kara Hassan Aga eiserne Disziplin und enthielten sich jeglicher Grau­samkeit U3). Ein Entsatzheer des Sultans konnten sie noch zwischen Belgrad und Nis abfangen und zerstreuen114), Anfang Dezember aber befand sich die Hauptstadt des Paschaliks wieder in den Händen der regierungstreuen Truppen 115). Die legalen Herren nahmen nun furcht­bare Rache, sie töteten alle Aufständischen, die man in Belgrad und Semendria aufstöbern konnte, „um allen Gährungen für das künftige vor­zubeugen“ lle). Das war ihnen damit jedoch keineswegs gelungen, eine große Anzahl der serbischen Janitscharen hatte zu Paswanoglu nach Nordbulgarien fliehen können und sollte noch 1797 mit diesem gemein­sam Belgrad abermals angreifen und 1799 endlich in einem Vertrag mit der Pforte die Genehmigung zur Rückkehr offiziell erhalten U7). In diesen Kämpfen von 1792 waren die christlichen Serben loyal ge­blieben; daher legten Abu Bekr und sein Nachfolger Hadschi Mustafa größten Wert auf ein gutes Einvernehmen mit der Raja. 1793 wurde Ser­bien zum autonomen „Belgrader Paschalik“, seine Bewohner erlangten dadurch Glaubensfreiheit und Steuererleichterungen, und erst die Wieder­errichtung der Herrschaft des Janitscharenkorps unter seinen „Dahis“ konnte dieses friedliche Verhältnis zwischen Regierung und andersgläu­bigen Untertanen trüben. Als die Auseinandersetzungen in Serbien im Herbst 1792 ihren Höhe­punkt erreichten, war Österreich gezwungen, dazu Stellung zu nehmen, da beide Parteien sich um seine Unterstützung bewarben. Die Komman­danten der Militärgrenze erhielten strikteste Anweisung, sich jeder Ein­mischung zu enthalten und mit verstärkter Mannschaft das österreichische no) Im Namen des Sultans vom Großwesir ausgefertigter Befehl, der große Verehrung genoß, obwohl er oft von Bagatellangelegenheiten handelte. in) Leopold v. Ranke Serbien und die Türkei im 19. Jahrhundert (Sämtliche Werke 43/44, Leipzig 31879) 64. 113) Bericht 1792 September 10: Türkei II 100. na) Bericht 1792 November 10: Türkei II 101. 114) Weisung 1792 Dezember 4, ebenda. ns) Weisung 1792 Dezember 18 und Bericht Dezember 10, ebenda. ne) Weisung 1793 Februar 1: Türkei II 105. in) Maximilian Braun Die Slawen auf dem Balkan bis zur Befreiung von der türkischen Herrschaft (Leipzig 1941) 220.

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