Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

MIKOLETZKY, Lorenz: Der Versuch einer Steuer- und Urbarialregulierung unter Kaiser Joseph II

Der Versuch einer Steuer- und Urbarialregulierung unter Kaiser Joseph II. Von Lorenz Mikoletzky (Wien) Seit jeher hat es Mühselige und Beladene gegeben. Aber der wehr­loseste Stand war immer der Bauernstand, der, Bedrückungen und Be­lastungen aller Art ausgesetzt, erst in der Neuzeit als einer der tragen­den Pfeiler der menschlichen Gesellschaft begriffen wurde, ohne dessen Existenz und Arbeit die anderen Schichten eines Volkes nicht leben können. In den Bauernkriegen ist das erste große Aufflackern, das Sich- Erheben gegen die Obrigkeit, feststellbar, und noch in unserem Jahr­hundert revoltierte dieser Stand in Rußland. Das Verhältnis der Bauern zu Kaiser und Hof war noch lange von der patriarchalischen Überlieferung eines unbegrenzten Vertrauens zur Allerhöchsten Majestät, als dem Vater aller Untertanen, bestimmt. Sie unterwarfen sich jederzeit dem kaiserlichen Urteil, ob es nun vom stren­gen Herrscher als Tadel und Strafe oder vom milden Kaiser als Hilfe und Mitleidsbezeigung ausfiel. Die Bauern rebellierten nicht gegen den Kaiser in seiner Person, sondern gegen die sie unterdrückende Obrigkeit. Deshalb galt ihr Mißtrauen nicht den Herrschern, sondern deren Rat­gebern und der Echtheit kaiserlicher Erlässe in der Meinung, die sich vielfach als richtig erwies, von ihren Obrigkeiten betrogen worden zu sein. Sie reisten häufig, meist gegen den Willen dieser Obrigkeiten, per­sönlich zum Kaiser und schickten Deputationen dorthin. Sie wurden auch häufig vorgelassen, erlangten durch Vermittlung hoher Hofbeamter Zu­tritt zu den Audienzen, und oft glückte es ihnen, positive Entscheidungen oder die Absendung von Untersuchungskommissionen zu erwirken. Die Entfremdung der Bauern ihren Gutsherren gegenüber setzte mit deren Abwanderung in die Stadtpalais in der zweiten Hälfte des 17. Jahr­hunderts ein und erreichte im 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Die Untertanen wurden nun der Willkür des Pflegschaftspersonals ausge­liefert, dessen Hauptaufgabe darin bestand, möglichst große Summen aus den Herrschaften herauszuwirtschaften, um so den Grundherren das be­deutend teurere Leben in den Städten zu ermöglichen '). Und in einer i) i) Vgl. Georg G r ü 11 Bauer, Herr und Landesfürst. Sozialrevolutionäre

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