Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)
HERSCHE, Peter: Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenitischen Bewegung in Wien
Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenistischen Bewegung in Wien 303 Steher, darüber zu wachen, daß die Alumnen keine schlechten Bücher, womit jetzt die jansenistischen gemeint waren, lasen; wurde einer dabei erwischt, so mußte er auf der Stelle das Haus verlassen. Auch wurde den Alumnen jeder Kontakt mit den „sogenannten Rigoristen“ im Domklerus und den Universitätsprofessoren außerhalb der ordentlichen Veranstaltungen untersagt. Leitidee für die Alumnen sollte nun die „heilige Einfalt“ sein, und wie der Kardinal seine zukünftigen Seelsorger jetzt haben wollte, drückte er mit folgenden Worten aus: „Ich will gar keine gelehrten Priester, die Wissenschaft macht stolz, ich will fromme und unterwürfige Priester, die meinem Willen gehorchen und die die Vernunft mit Maß gebrauchen“ "). Besser könnte der antiaufklärerische, autoritäre und reaktionäre Geist, der Migazzi nun beherrschte, gar nicht charakterisiert werden. Die Worte bezeugen klar die völlige Umkehrung der früheren Position. Die Berichte über die Geschichte des Seminars schließen mit der resignierten Feststellung, man könne nur noch hoffen, die Regierung werde eingreifen. Die Hoffnung ging bald in Erfüllung. Kurz nach der Publikation der Artikel in den Staatsanzeigen und den Nouvelles Ecclésiastiques mußte der Erzbischof den großen Schrecken erleben, daß das Generalseminar das Resultat aller seiner mühsamen Anstrengungen wieder vernichtete 10°). Das freundschaftliche Verhältnis Migazzis zu seinen Jüngern aus seinen ersten Wiener Jahren hatte sich schon im letzten Regierungsjahrzehnt Maria Theresias und erst recht dann zur Zeit Josephs II. in erbitterte Feindschaft gewandelt. Wer die führenden Köpfe der gegnerischen Partei waren, erkannte der Kardinal klar; er bezeichnete de Terme als Bischof, Wittola als Generalvikar und Blarer als Geistlichen Rat der „Kleinen Kirche von Wien“ * 100 101). Der nach dem Tode Stocks und de Haens zum Führer der Wiener Jansenistenpartei aufgestiegene de Terme war auch das Haupt der Opposition gegen den Erzbischof. Als Domkantor und Konsistorialrat an ranghöchster Stelle unter den dreien mußte er den Kampf mit Migazzi nicht suchen; er war das bevorzugte Objekt seines Hasses und wurde von ihm bei jeder Gelegenheit brüskiert102). Dafür Werke von Natalis Alexander und der Catechisme de Montpellier, jedoch nun in einer „gereinigten“ lateinischen Ausgabe. Vgl. Schlözer Staatsanzeigen 2, Heft 5 (1782) 29; Nouvelles Ecclésiastiques 56 (1783) 131 f; Wienerische Kirchenzeitung 1 (1784) 68 ff; RA Utrecht Fonds OBC 833 (de Haen an van Maaren), 1775 September 13. ") Nouvelles Ecclésiastiques 56 (1783) 131; vgl. auch Wienerische Kirchenzeitung 4 (1787) 75. 100) ob jedoch zwischen der Publikation der beiden Artikel (vgl. Anm. 46) und der Errichtung des Generalseminares ein Kausalzusammenhang besteht, wie dies Kerker annimmt (Wanderungen des Jansenismus 734) ist fraglich, da die Publikation zumindest nicht direkt auf staatliche Initiative zurückging. 101) RA Utrecht Fonds PR 2544, 1783 Jänner 19. 102) Ebenda, 1777 August 29.