Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

HERSCHE, Peter: Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenitischen Bewegung in Wien

298 Peter Hersche mentenbänden, die die Rechtgläubigkeit der Utrechter Kirche beweisen sollten, die philojansenistischen Bischöfe in Österreich zu gewinnen, das Unionsprojekt zu unterstützen. In einem Brief vom 31. Januar 1767 an den Erzbischof von Utrecht nennt er dabei auch Migazzi als möglichen Adres­saten, indem er auf seine reformerische Tätigkeit hinweist und erwähnt, daß er vor kurzem nur nach anfänglichem Widerstreben ausländische Jesuiten in Wien aufgenommen habe. Man könne allerdings nicht mit Sicherheit auf ihn rechnen, er lasse sich von politischen Rücksichten leiten und sei in seiner Haltung schwankend 80). Im Sommer darauf ließ Stock durch de Haen den Utrechtern auch im Namen Migazzis für die Zusendung der gedruckten Aktensammlung der 1763 abgehaltenen Sy­node von Utrecht danken81). Im Spätherbst 1767 verteidigte Migazzi noch die Jansenisten Gazzaniga, Gervasio und Ignaz Müller, den neuer­nannten Beichtvater Maria Theresias, dem eben nach Wien gekommenen Nuntius Visconti gegenüber. Er sprach gut über Müller, lobte Gazzanigas „gesunde“ Grundsätze und nahm ihn gegen die Verdächtigung des Jan­senismus in Schutz, ohne allerdings die Bedenken Viscontis gänzlich zerstreuen zu können 82). Aber bei derselben Gelegenheit führte Migazzi auch den Jesuiten Johann Heinrich Kerens, Rektor des Theresianums, beim Nuntius ein. Kerens, der bei Maria Theresia in außerordentlicher Gunst stand und den sie zum Bischof von Roermond, dann, weil sie ihn in ihrer Nähe haben wollte, zum Bischof von Wiener Neustadt ernannte, scheint entscheidend dazu beigetragen zu haben, Migazzi endgültig auf die andere Seite zu ziehen. Erleichtert wurde ihm dies wohl, weil er, obschon unbedingt romtreu, sich reformerischen Bestrebungen nicht grundsätzlich verschloß83 * 8). Kerens spielte seit Migazzis Wandlung nicht nur so etwas wie die Rolle einer „grauen Eminenz“ bei ihm, sondern war auch ein Vertrauensmann der Kurie, insbesondere des späteren Nuntius Garampi, und wo immer es später um die Torpedierung josephinischer Maßnahmen ging, war das Triumvirat Migazzi, Garampi und Kerens da­bei. Schon wenige Wochen nach diesem Zusammentreffen in der Nuntia­tur konnte Visconti zu Beginn des Jahres 1768 nach Rom melden, der tusschen de Oud-Bischoppelijke Clerezie van Utrecht en Rome (theol. Diss. Groningen 1930); Jacob Boersma Antonius de Haen 1704—1776. Leven en werk (med. Diss., Van Gorcums Historische Bibliotheek 71, Assen 1963). so) RA Utrecht Fonds OBC 1402, 1767 Jänner 31. 81) Ebenda Fonds OBC 828, 1767 August 31. Es handelte sich um die Acta e decreta synodi cleri - romano - catholici provinciae Ultrajectensis celebratae 1763 (s. 1. 1764). 82) Archivio Segreto Vaticano Nunziatura di Germania (im folgenden ASV NG) 388 fol. 17, Bericht von 1767 November 7; ebenda NG 393/4 Diario dei Mons. Visconti fol. 372, Eintragung von 1767 November 2. — Zu den Ver­dächtigungen gegen Gazzaniga vgl. Winter Josefinismus 87. 8S) W. J. Prick Henricus Joannes Kerens in Publications de la société historique et archéologique dans le Limbourg 94/95 (Maastricht 1958/9) 301—351.

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