Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

HERSCHE, Peter: Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenitischen Bewegung in Wien

Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenistischen Bewegung in Wien 289 zum Beichtvater ihrer jüngsten Kinder, mit ihm begann die Ära der jansenistischen Hofbeichtväter im Hause Habsburg 43). In einem Nachruf nennt Wittola noch Andreas Schwarzenbach „einen von den guten Priestern, die Migazzi gebildet hat". Der Jansenist Schwarzenbach gehörte tatsächlich als Leiter der Exerzitien, die der Erzbischof zur Hebung der Frömmigkeit und Disziplin seines Klerus alljährlich im Priesterhause zu Mödling bei Wien durchführen ließ, zu den bevorzugten Schützlingen Migazzis, bis sich später seine Zuneigung in nicht minder großen Haß verwandelte44). Endlich sei noch der entschieden jansenistisch gesinnte Joseph Philipp Graf Spaur erwähnt, der zu Beginn der sechziger Jahre nach Wien kam und den Migazzi dann nach seiner Ernennung zum Bischof von Seckau der Kaiserin auch als Direktor der Theologischen Fakultät in Graz vorgeschlagen haben soll45). Am meisten für die Verbreitung des Jansenismus in Österreich bei­getragen aber hat Migazzi wohl durch die Gründung des Priestersemi­nars in Wien 46). Schon bei Beginn seiner Regierung hatte der Erzbischof * **) 43) Wolfsgruber Migazzi 252. **) Wienerische Kirchenzeitung 6 (1789) 756 ff. «) Neueste Beiträge 2 (1791) 695. 4<i) Zur „äußeren“ Geschichte des Alumnats (Gebäude, Finanzierung usw.) vgl. Wolfsgruber Migazzi 119 ff; Zschokke Die theologischen Studien 519 ff. — Dokumente zur viel interessanteren „inneren“ Geschichte des Alum­nats sind im Erzbischöflichen Diözesanarchiv in Wien nicht mehr vorhanden. Erhalten hat sich nur im Archiv des noch bestehenden Priesterseminars das von Seminardirektor Georg Mayer angelegte Verzeichnis der Alumnen (Protocolum Archiepiscopalis Alumnorum Collegii anno 1763 ... inchoatum). — Als Quellen für die Geschichte des Priesterseminars kommen in Frage und wurden im folgenden verwendet: Rijksarchief Utrecht, Archief der Oud-Bisschoppelijke Clerezij, Fonds Port-Royal et Unigenitus (im folgenden RA Utrecht Fonds PR) 2560 Notice abrégé du commencement de la réforme, et de l’état actuel de l’Université, du séminaire, et du clergé de Vienne en Autriche dressé au mois d’Aoüt 1774 par un directeur du dit séminaire. Der lateinisch abgefaßte Be­richt stammt aus der Feder Georg Mayers und wurde dem Abgesandten der Utrechter Kirche, Graf Dupac de Bellegarde, bei seinem 1774 erfolgten Besuch in Wien offenbar persönlich übergeben: Schlözer Staatsanzeigen 2, Heft 5 (1782) 17—34 und Nouvelles Ecclésiastiques 56 (1783) 129—132. Dieser Bericht ist die französische Übersetzung eines lateinischen Originals, das sich in der Korrespondenz Melchior Blarers an Graf Dupac de Bellegarde in Utrecht be­findet (RA Utrecht Fonds PR 2076). Es ist nicht von Blarers Hand, aber viel­leicht von einem Schüler nach seinen Angaben geschrieben worden. Auf diesen Bericht bezieht sich offensichtlich eine gleichzeitige Mitteilung von Blarers Kol­legen Wenzel Schanza an Dupac, ein Freund habe ihm eine in seinem Auftrag geschriebene Geschichte des Wiener Seminars übergeben (RA Utrecht Fonds PR 2516, 1782 Juli 23). Allem Anschein nach geht auch der Bericht in Schlözers Staatsanzeigen direkt oder indirekt auf Blarer zurück. Beide Quellen weisen viele Parallelen auf, allerdings auch größere Abweichungen, was eine direkte Abhängigkeit voneinander ausschließt. Schlözer bringt später in seinen Staatsanzeigen einmal einen ausführlichen Brief über seine Schicksale (9, Heft 34 [1786] 193—215), sodaß man annehmen kann, auch der erste Bericht gehe Mitteilungen, Band 24 19

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