Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

GASSER, Peter: Triestiner Handel vor 1790. „Corpo Mercantile“, die Anfänge der Handelsbörse und die Opposition Fiumes

254 Peter Gasser täglich zusammen kommen, und sich über ihre Handelsgeschäfte besprechen kön­nen“. Mit einer allgemeinen, hier im Wortlaut wiedergegebenen, Charakteri­sierung des Triestiner Handelstandes schloß der Gouverneur den Hauptteil seines ausführlichen Berichts vom 16. April 1779 ab. „Dieser Platz (Triest) hat dem Vernehmen nach in der Fremde den unvor­teilhaften Ruf, daß unter seinen Handelsleuten allzu wenig Offenherzigkeit und Aufrichtigkeit im Handel und Wandel, gar keine Eintracht und Harmonie, und allzu viel Eigennutz und Privat-Absichten anzutreffen seye. Es sind zwar diese Beschuldigungen, die man mehr oder weniger auf jedem Handelsplatz re- torquiren könnte, denn der Mercantil Geist ist unter allen und jeden Professio­nen in einem Staat derjenige, von welchem man am wenigsten Uneigennützig­keit und Sorgfalt für die gemeine Wohlfart zu erwarten hat. Dennoch mag die abgesonderte Lebensart der hiesigen Kaufleute, welche nicht wie die Kaufleute fast jeder andern Handelsstadt täglich zusammen kommen, sich von ihren Geschäften zu unterreden, diesen Privat-Eigennutz gar wohl noch mehr als an­derwärts befördern und exaltiren. Aus dieser Isolierung der Kaufleute entsteht ein anderer Nachtheil, nämlich, daß die Mäckler, zu deren Vermittelung der Kaufmann nur in wenigen Fällen seine Zuflucht nehmen sollte, einen allge­meinen Einfluß in alle Geschäfte bekommen, dieselben vorsetzlich verwickeln, und Treu und Glauben einer beständigen Gefahr aussetzen können. Diese Mäckler werden hierdurch mächtiger als die Kaufleute, da sie doch nichts anders als Diener derselben und des Handels und nur in sehr wenigen Fällen unentbehrliche Mittels-Personen seyn sollen. Diesen nicht gleichgültigen Gebre­chen in der Verfassung des vornehmsten See-Hafens dieser Monarchie würde am besten durch Erbauung eines eigenen Gebäudes, als geeigneten locus physi­cus, für die tägliche Zusammenkünfte der Triester Kaufleute abgeholfen“ is). Diese Vorschläge des Grafen Zinzendorf fanden am 28. August bzw. am 17. September 1779 im großen und ganzen ihre Billigung 16). Die Führung der Börse wurde sechs in Wien namhaft zu machenden Depu­tierten übertragen. Unter diesen befand sich, da höhern Orts so erwünscht, auch der bereits für das Jahr 1780 zum Börsendirektor designierte Anto­nio Rossetti Edler von Scander. Die Deputierten hatten sich alle zwei Monate im Vorsitz abzulösen. Eine Wiederwahl sollte schon nach vier Jahren und nicht, wie der Gouverneur am 16. April 1779 vorgeschlagen hatte, erst nach Ablauf einer sechsjährigen Frist möglich sein. Hinsicht­lich der Juden und Levantiner teilte man zunächst auch in Wien Zinzen­dorf s Ansichten. Doch milderten Maria Theresia, bzw. Joseph II. auf Grund demütig vorgebrachter Bitten der Triestiner Judenschaft die be­züglich der israelitischen Kaufleute vorgesehenen diskriminierenden Be­stimmungen. Vor Vorträgen an den Gouverneur hatten die Deputierten genauestens an­zugeben, ob die zur Sprache kommenden Fragen das allgemeine Wohl, die Interessen einzelner Handelshäuser oder persönliche der Deputierten selbst be­rührten. Stellte der Gouverneur, in Befolgung eines allerhöchsten Auftrages, Fragen an die Deputierten, so war der ganze Handelsstand „mit Anmerkung der verschiedenen Meinungen ad protokollum“ einzuvernehmen. Verlangte er hingegen aus eigener Initiative Informationen, so stand es ihm frei, ob der i5) Ebenda fol. 303—304 v: aus dem Bericht Zinzendorfs vom 16. April 1779. i«) Ebenda fol. 312 ff.

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