Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

GASSER, Peter: Triestiner Handel vor 1790. „Corpo Mercantile“, die Anfänge der Handelsbörse und die Opposition Fiumes

246 Peter Gasser heute eine Börse verstanden werden will, nur bedingt für diese Triester Gründung gelten kann. Ricci hatte in seinem vorerwähnten Bericht u. a. nicht nur alle in Triest bestehenden Handelshäuser, sondern darüber hinaus auch jeden einzelnen Kauf­mann und Krämer aufgezählt und, soweit wie möglich, auch die Höhe ihrer jeweiligen Vermögen und Betriebskapitalien angegeben. Der Triestiner Handel hätte, stellte der Intendenzarat mit Befriedigung fest, im letzten Jahrzehnt einen beachtlichen Aufschwung genommen. Einem weiteren Fortschritt stünden jedoch einige Faktoren, wie die an Zöllen und Tarifen ständig vorgenomme­nen Änderungen, die Unzulänglichkeit der vorhandenen Lagerhäuser, das Feh­len eines schnell arbeitenden Zivilgerichtes in Handelssachen und ein zahlen­mäßig schwacher, in Parteien und Cliquen aufgespaltener Kaufmannstand, so­wie die Tatsache noch im Wege, daß es jedem beliebigen kleinen Handwerker oder Hausierer erlaubt sei, sich, unter Berufung auf die Freihafenprivilegia, als Fabrikant bzw. Handelsmann zu deklarieren. Zölle und Tarife, seit eh und jeh ein leidiges Problem, wären, meinte Ricci, gleich der Schaffung einer klaglos funktionierenden Judikatur in Merkantilangelegenheiten, einzig und allein Sache des Monarchen. Im Zusammenhang mit der prekären Lage des Triestiner Kaufmannstandes kam der Referent auf die im Jahre 1744 bereits erfolgten ersten Ansätze einer Organisation desselben durch die Wahl der Händ­ler Österreicher und Grossei zu Vorstehern und des Israel Levi zum Schrift­führer des Corpo Mercantile zu sprechen. Diesem erfreulichen, mit regelmä­ßigen Beratungen der Kaufleute verbundenem Beginn, wären zwar, „raffre- dato il primo zelo“, Hader und Zwist gefolgt, doch verspreche nunmehr das Eingreifen des Intendenzapräsidenten, der die Wahl der Vorsteher und auch sonst die Tätigkeit des Corpo Mercantile in Zukunft strenger kontrollieren wolle, eine Wendung zum Besseren 3). Um das Auftreten vermögensloser und unqua­lifizierter Elemente als „Großkaufleute“ in Triest zu unterbinden, schlug Ricci vor, nicht mehr als höchstens drei Kaufleuten aus jeder einzelnen Provinz der Monarchie jährlich die Übersiedlung nach der Hafenstadt zu gestatten und zur Deckung allfälliger im Schiffsverkehr eintretender Verluste nach dem Vorbild anderer Seeplätze auch für Triest die Gründung einer Versicherungsgesellschaft in Erwägung zu ziehen. Die Kaiserin hatte, wie bereits gesagt, der Einrichtung einer Handels­börse im Prinzip zugestimmt und sich mit dem am 16. Mai 1755 erstatte­ten Vorschlag der Intendenza, die Börse im Palazzo publico unterzubrin­gen, einverstanden erklärt. Die erste Börseordnung wurde am 19. Juni 1755 genehmigt und nur dahingehend am 14. Oktober 1755 modifiziert, als die allwöchentlich vorgesehene Generaldebatte des Corpo Mercantile nicht wie ursprünglich geplant am Samstag, sondern mit Rücksicht auf das innerhalb der Kaufmannschaft stark vertretene jüdische Element zunächst auf den Freitag und in späterer Folge auf den Mittwoch verlegt wurde 4). Einzelheiten über diese Börsenordnung waren weder in Wien noch in Triest zu ermitteln — doch hat der bekannte Triestiner Wirtschaftshisto­riker Fulvio Babudieri den Text des Regolamento per la borsa mercantile in einem anonymen zeitgenössischen Druckwerk entdeckt und Photoko- 3 3) Ebenda fol. 15. -i) Ebenda fol. 23.

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