Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)
PILLICH, Walter: Der Stein- und Siegelschneider Ulrich Schwaiger im Dienste dreier Kaiser
232 Walter Pillich durchauß müeßig stheen solle“, während er außerhalb dieser Stadt unbehelligt seine erhaltene Hoffreiheit in Anspruch nehmen könne 43). Trotzdem scheint es aber später, wie wir noch hören werden, neuerlich zu Reibereien zwischen Schwaiger und den Goldschmieden in Augsburg gekommen zu sein, sodaß Schwaiger sogar die Stadt verließ. Die in dem Briefwechsel Schwaigers von 1559 erwähnten Siegelarbeiten für den Kaiser und die Reichskanzlei können wieder nach Posse verifiziert werden. Die Kaisergoldbulle, deren frühestes Vorkommen vom 2. Mai 1559 datiert, wurde schon Ende Januar 1559 dem Kaiser von Schwaiger geliefert44). Nach dem Siegelbuch der Reichskanzlei für die Jahre 1558 bis 1564 läßt sich die erste Verwendung der Goldbulle nicht nachweisen, da die Art der Besiegelung nicht angeführt wird 45). Die Aversseite der Goldbulle zeigt porträtähnlich den bärtigen Kaiser thronend zwischen zwei Säulen, hinter ihm einen Teppich, über diesem in rundem Schild den Doppeladler, rechts das Wappen von Ungarn und links das von Böhmen. Der Revers zeigt den gekrönten Doppeladler, auf der Brust einen von Ungarn und Böhmen quadrierten Schild, mit einem von Österreich, Kastilien, Burgund und Aragon quadrierten Schild belegt, darauf ist als Herzschild Tirol und Habsburg gespalten zu sehen. Der Schild wird von der Kette des Goldenen Vlieses umgeben. Mit diesem Siegeltyp, den der Avers der Goldbulle Kaiser Ferdinands I. zeigt, hat Schwaiger den schon im Mittelalter geführten Typ des Thronsiegels in die Formensprache der Spätrenaissance und des Frühbarock transponiert, der auch für die weiteren Jahrzehnte, für Kaiser Maximilian II. und Rudolf II. mit nur geringer Veränderung auch von Schwaiger hergestellt wurde. Die beiden Siegelstempel, deren Punzierung Schwaiger von der Goldschmiedeinnung zuerst verweigert wurde, sind heute nicht mehr erhalten, und auch die Herstellungskosten sind aus den bereits erwähnten Gründen nicht bekannt 46 *). Beim „hungerisch sigl“ handelt es sich zweifellos um das sogenannte kaiserliche Sigillum duplex für den ungarischen König Ferdinand I., das nach seiner Kaiserkrönung hergestellt wurde und seit 5. August 1559 in Verwendung war. Das Siegelbild des Averses zeigt dieselbe Darstellung des Kaisers und eine ähnliche Komposition wie die gleichzeitig gearbeitete Goldbulle, nämlich den bärtigen ungarischen König Ferdinand I. mit 43) StAA Goldschmiedeakten 3: 1559 August 1, Aufzeichnung des Ratsschreibers W. Hebenstreit. 44) Posse Siegel 3, 17 Tafel 23/1, 2. — Für 1559 ist kein Reichstaxbuch erhalten. 45) HHStA Siegelbuch 1558—1564 (früher Hs. 8.222 der österr. Nationalbibliothek Wien), fälschlich als RTB bezeichnet. 48) Posse Siegel 5, 62; Wolfgang Hilger Ikonographie Kaiser Ferdinands 1. (1503—1564) (Wien 1969) 106, 190 n. 244.