Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

ŽONTAR, Josef: Michael Černović, Geheimagent Ferdinands I. und Maximilians II., und seine Berichterstattung

210 Josef íontar Barbarigo in Begleitung eines treuen Dragomans im Namen der Sig- norie Ali Pascha um die Erlaubnis bitten, Cernovic als Venezianer fest­nehmen und nach Venedig befördern zu dürfen. Dem Großwesir könne er bis zu 2000 Dukaten anbieten. Wie es scheint, war man in Venedig vom Erfolg dieser Weisungen nicht überzeugt; man beauftragte den Bailo Barbarigo streng vertraulich, Cernovic durch Gift oder auf eine andere Weise aus dem Wege zu schaffen, — doch so, daß kein Verdacht auf den Bailo falle 273). Cernovic befand sich in größter Lebensgefahr, denn Barbarigo be­mühte sich bei Ali Pascha, die Weisungen des Zehnerrates durchzusetzen. Er gab auch einen Schreiber des Großkanzlers an, mit dem Cernovic eng befreundet war. Die Folge davon war, daß der Großkanzler am 25. April 1563 seines Amtes entsetzt, der Schreiber festgenommen und gefoltert wurde. Nun hing alles von dessen Aussage ab 274). Zum Glück erwähnte der Schreiber Cernovic überhaupt nicht, sondern gestand, Abschriften geheimer Briefe aus der Korrespondenz mit dem Schah einem Neffen des Großwesirs zur Verfügung gestellt zu haben. Darauf wagte Ali Pascha keine weiteren Fragen zu stellen, damit diese Aussage nicht dem Sultan hinterbracht würde. Der Bailo sagte zwar dem Großwesir, er müsse Cernovic gefesselt nach Venedig schicken und so die Hohe Pforte von einem großen Spion befreien, Ali Pascha erwiderte jedoch: falls der Groß­herr alle Spione aus seinem Lande schaffen wollte, müßte er auch den Bailo mit der ganzen „natio venetiana“, ebenso alle übrigen Gesandten mit ihren Landsleuten ausweisen, da sie nichts anderes als Spione seien; denn: wie die Venezianer dem Sultan von den Ereignissen in der Chri­stenheit berichten, so melden sie auch den christlichen Fürsten, was sie in der Türkei erfahren. Obwohl dies der Sultan wüßte, schere er sich wenig darum, denn eine Fliege vermöge einem Elefanten nicht zu schaden. Barbarigo wollte aber noch nicht nachgeben und stellte die Frage, ob der Sultan Cernovic den Venezianern ausliefern würde, falls die Signorie dringend darum ansuche. Ali Pascha antwortete mit einem Vielleicht. Sollte jedoch Cernovic in dieser Zwangslage zum Islam übertreten, würden die Venezianer Anlaß zu seinem Avancement geben. Auch der Hinweis des Bailo, daß sich jetzt Cernovic wohl zum Kaiser begeben werde, um ihm weiter zu dienen, machte auf den Großwesir keinen Eindruck. Vom befreundeten Sekretär der Venezianer erfuhr Cernovic das Gespräch und begab sich zum Großwesir, um sich zu bedanken und zu verabschieden. Er küßte ihm die Hand, Ali Pascha aber sagte ihm lachend, er könne sich vorstellen, welche guten Wünsche der Bailo für ihn hege. Cernovic brauche sich vor niemandem zu fürchten und möge sich nur um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. In bestem Einvernehmen * 27 273) Lamansky Secrets 72. 27*) 1563 April 27: Turcica 17.

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