Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

NECK, Rudolf: Sammelreferat. Zeitgeschichte

466 Literaturberichte Ebner-Eschenbach sagt, „daß wir unter seiner Hand in den Abgrund gestürzt wären, während wir jetzt fortfahren werden, in den Abgrund zu gleiten“ (S. 153). Wesentlicher aber ist das Bild zweier einzigartiger Menschen, das aus diesen Briefen vor uns aufsteht. Es erübrigt sich, die beiden Briefpartner vorzustellen, die Dichterin und den Mitbegründer der Wiener psychoana­lytischen Schule, dem Freud entscheidende Anregungen verdankte. Sie unterscheiden sich beide durch ihre weltanschauliche Position und das Milieu, dem sie entstammten, und es mag sein, daß der Psychologe Breu- ner die Zeichen seiner Zeit vielleicht in manchem besser zu deuten wußte, als die doch sehr stark in der Tradition verwurzelte Dichterin, doch was sie miteinander verbunden hat, war ihr aufrichtiges Eintreten für die Gerechtigkeit und für die Probleme ihrer Mitmenschen. In einer Welt, in der nach den Worten Ebner-Eschenbachs Verwilderung und Verdummung immer mehr vorherrschten, blieben sie beide Vertreter eines Humanismus, auf die das Wort Schopenhauers von der Herzensgüte zutrifft, die Geist und Genie überstrahlt. In einer Zeit, in der die Gefahr einer Verwilderung und Verdummung der Menschen sicher nicht geringer geworden ist, gebührt daher dem Herausgeber wie dem Verlag umso größerer Dank für die Mühe und Initiative zur Edition dieses Briefwechsels. — Demgegen­über soll eine kleine Kritik nicht ins Gewicht fallen: ein Personenregister wäre sehr schön gewesen. Leopold Auer (Wien)

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