Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

OBERMANN, Karl: Unveröffentlichte Schriftstücke Metternichs vom Sommer 1845 über deutsche Angelegenheiten

392 Karl Obermann Fall ist. Glauben Sie mir aufs Wort, mein lieber General, daß ich meine dies­jährige Fahrt an den Rhein unter leidigen Gefühlen unternommen; und zu deren Bestätigung nur zu viele Elemente gesammelt habe.“ Am Schluß des Briefes äußerte Metternich eine gewisse Verstimmung über die Rat- und Tat- losigkeit der Regierungen, die sich dem Gegner, der erstarkenden Volksbe­wegung, nicht mehr gewachsen zeigen. Doch versicherte er, den Kampf nicht aufzugeben und dabei auf die Männer wie Canitz zu rechnen. So heißt es: „Sind Regenten und Regierungen einmal auf einen gewissen Grad der Be­ängstigung herabgestimmt, so kommt ihnen wohl die Idee des Erhebens; das was alsdann gewöhnlich fehlt, ist das ausgiebige Vorhandensein der Mittel, als welche der Rat, im Gegensätze der Ratlosigkeit und des Benutzungsver­mögens der moralischen Kräfte gegenüber der den Gegnern eigentümlichen Hilffähigkeit, gelten müssen. Gott gebe, daß ich mich irre; ist dies der Fall, so werden die Aufgaben sich günstiger lösen, als es den Anschein hat; tritt der Fall nicht ein, so werde ich mich deshalb nicht auf die teutonisch geschicht­liche Bärenhaut legen, sondern bis zum letzten Atemzuge in der Reihe der Kämpfer für die gesellschaftliche Ordnung meinen Standpunkt einzuhalten wissen. Mit dieser Versicherung schließe ich dieses freundschaftliche Schreiben, und verweise Sie an meinen Ihnen zu Gebote gestellten Gehilfen. Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft, wie Sie auf die meinige zählen können“ i®). In der ernsten Absicht, angesichts der Lage in Deutschland mit Preu­ßen gemeinsam vorzugehen, schrieb Metternich am gleichen 7. September 1845 auch einen Brief an den König Friedrich Wilhelm IV. Anknüpfend an das Gespräch, das der preußische König in Frankfurt a. M. mit dem Vor­sitzenden der Bundesversammlung Ende August geführt hatte, bemerkte der Staatskanzler: „Allergnädigster Herr! Die Worte, welche Eure Majestät bei der Durch­reise durch Frankfurt dem Grafen v. Münch zu sagen geruhte und welche derselbe mir treu mitzuteilen nicht unterließ, haben bei mir den Anklang ge­funden, den ich aus Herzensgrund alle dem zuerkenne, was mir von Aller- höchstdemselben zukommt und mich zur unparteiischen Äußerung auffordert. Da das Sprechen dem Schreiben weit vorzuziehen ist und Vorteile gewichtiger Art in Beziehung auf Verständigung und Zeitgewinn bietet, so lasse ich den Baron Werner über Berlin nach Wien zurückfahren. Er wird sich mit Baron Canitz besprechen und kann mir vielleicht die näheren Ansichten Eurer Maje­stät nach Böhmen, woselbst ich eine Woche zubringen werde, überbringen.“ Der Brief berührte aber auch einen Punkt der Unterhaltung zwischen dem preußischen König und Metternich auf der Fahrt von Schloß Stolzenfels zum Schloß Johannisberg, nämlich das Verhältnis des preußischen Hofes zum Vati­kan. An Hand eines beigefügten Auszuges aus dem Bericht des österreichischen Gesandten in Rom, Graf Lützow, vom 23. August 1845, konnte der Staats­kanzler dem preußischen König beweisen, daß sein Gesandter, Usedom, ent­gegen seinen Befürchtungen beim Vatikan wohlwollend empfangen worden sei. Metternich sah sich zu der Bemerkung veranlaßt: „Eure Majestät haben mir das Gefühl einzugestehen geruht, daß der Papst in Hochdieselben Vertrauen gesetzt habe, nun aber keines mehr in Sie setze. Ich habe das Letztere wider­sprochen und die Tat zeugt für mich. Daß mich dieser Sieg freut, dies werden mir Eure Majestät wohl verzeihen!“ Der Brief schließt mit den schmeichelnden Worten: „Nun bleibt mir nur mehr, Hochdenselben für die teuren Momente zu 10 10 Ebenda fol. 9—15 (Original).

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