Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

HÖFLECHNER, Walter: Die „Regule ad extrahendum litteras ziferatas sine exemplo“

MISZELLEN Die „Regule ad extrahendum litteras ziferatas sine exemplo“ Von Walter Höflechner (Graz) Die als Cicco Simonettas Chiffrentraktat bekannten Regeln für die Dechiffrierung von Texten ohne Kenntnis des Schlüssels genießen in der Iiiteratur zur Kryptologie höchstes Ansehen, gelten sie doch als das älteste Beispiel für eine derartige Betätigung. Dementsprechend und wohl auch wegen der Kürze wurden sie häufig gedruckt 4). Die grundlegende Behandlung des Traktats stammt jedoch schon von jenem Manne, der ihn als erster entdeckt hat: von Paul-Michel Perret2). Perret, Mitglied der Ecole des Chartes, stieß in der Pariser National­bibliothek auf einen Codex, der u. a. diesen Traktat enthielt, wobei die Zugehörigkeit des Fragments zu den Diarien des Simonetta sich rasch erwies, ebenso, daß es sich um einen von der Hand des Simonetta stam­menden Text handelte: Perret hat dies nachzuweisen vermocht, da Schriftgleichheit mit dem restlichen Diarium in Mailand gegeben war 3). Perret hat scharf zwischen Autorschaft und Hand unterschieden 4), versucht 1) So bei Paul-Michel Perret Les régies de Cicco Simonetta pour le déchiffrement des écritures secretes (4 juillet 1474) in Bibliothéque de l’école des Chartes 51 (1890) 516—525, bei Aloys Meister Die Anfänge der modernen diplomatischen Geheimschrift. Beiträge zur Geschichte der italieni­schen Kryptographie des XV. Jahrhunderts (Paderborn 1902) 61—63, zuletzt von Alfio Rosario Natale I diarii di Cicco Simonetta in Archivio Storico Lombardo Ser. VIII 1—7, hier 7 (1957) 281—283 (bei Natale zu Beginn „Inspiciemdum“ statt „Inspiciendum“, ebenso in der siebenten Regel „vocalim“ statt „vocalium“). — Von diesem Dechiffriertraktat sind jedoch die Chiffriertraktate zu unter­scheiden, als deren ältester der des an der Kurie wirkenden italienischen Humanisten, Mathematikers und Künstlers Leo Baptista Alberti gilt; siehe Aloys Meister Die Geheimschrift im Dienste der päpstlichen Kurie von ihren Anfängen bis zum Ende des XVI. Jahrhunderts (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte, hg. von der Görres-Gesellschaft 9, Paderborn 1906) 24 ff, gedruckt bei Meister Kurie 125—141 aus der Zeit vor 1472. 2) Siehe Anm. 1. 3) Über die Mailänder Überlieferung vgl. die äußerst knappen Angaben bei Natale in ArchStorLomb Ser. VII 1 (1949) 80. 4) Perret Les régies 517.

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