Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

STAUDINGER, Anton: Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei in Österreich (1930–33)

Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei 307 dessen außenpolitischen Erfolgen36) äußerte, worüber Seipel ungehalten war37). Gleichwohl schlug Seipel Vaugoin als seinen Nachfolger in der Christlichsozialen Partei vor, allerdings erst, nachdem Richard Schmitz die Nachfolge abgelehnt hatte 38). Die Öffentlichkeit beurteilte auch die Wahl Vaugoins zum Bundes­parteiobmann der Christlichsozialen Partei als Fortsetzung der Politik Seipels 39). Seipel selbst bezeichnete dieses Wahlergebnis in einem Gratu­lationsschreiben an Vaugoin 40) als „einen letzten Triumph“. Als Parteiobmann entwickelte aber Vaugoin mehr und mehr eigene Initiative und betrieb im Gegensatz zu Seipel strikte Parteipolitik, aber er emanzipierte sich nicht in so großem Maße von Seipel, daß er auf den Rat Seipels in taktischen Fragen verzichtete, wie noch darzulegen sein wird. „Wenn ich vielleicht mit Gottes Hilfe als Parteiobmann nicht ganz versage“, dankte Vaugoin für Seipels Glückwünsche, „so nur deswegen, weil ich in die Schule des Meisters Seipel durch Jahre gegangen bin und die Lehren, die mir dieser Meister gegeben hat, und die Erfahrungen, die ich an seiner Seite gesammelt habe, nicht vergessen werde ... sei nicht böse, wenn ich hie und da zu diesem Meister kommen werde, um mir Rat zu holen, wenn ich nicht aus und ein weiß .. “ 41). Als erste Unternehmung der forciert antisozialdemokratischen Politik versuchte Vaugoin, die Bediensteten der Österreichischen Bundesbahnen dem Einfluß der Sozialdemokratischen Partei zu entziehen, da die fast ausschließlich sozialdemokratisch kontrollierte Personalvertretung, die überdies über das Betriebsrätegesetz hinausgehende Vorrechte genoß 42), bei dem damals geringen Stand der Motorisierung durch Streik den gesam­ten Verkehr zum Erliegen bringen, d. h. auch den Transport der unter Einfluß der bürgerlichen Parteien befindlichen staatlichen Machtmittel verhindern konnte und somit einen eminenten Machtfaktor der Sozial­demokratischen Partei darstellte 43). Initiativen in dieser Frage waren schon bei der Regierungsübernahme durch Schober im Herbst 1929 von christlichsozialer Seite, vor allem von Rintelen, ausgegangen44). Gemäß dem Vorgehen im Bundesheer sollten 36) Begrüßungsrede Vaugoins bei der Rückkehr Schobers aus Den Haag: Reichspost 22. Jänner 1930. 37) Notiz Richard Schmitz’ vom 22. Jänner 1930: Braun Schmitz 175. 38) Notiz Richard Schmitz’ vom 11. März 1930: Braun Schmitz 178. 3») Reichspost und Arbeiter-Zeitung 10. Mai 1930. 40) Brief Seipel an Vaugoin vom 10. Mai 1930: Nachlaß Vaugoin, Fotokopie im Institut für Zeitgeschichte Wien. 41) Brief Vaugoin an Seipel vom 10. Mai 1930, Kopie im Nachlaß Vaugoin Fasz. 4. 4ä) Siehe dazu Der österreichische Volkswirt 22 (1929/30) 1048 ff. 43) Vgl. G u 1 i c k Habsburg 3, 169. 44) Archiv der Bundespolizeidirektion Wien, Schober-Archiv Karton 99, Niederschrift Schobers Zur Bundesbahnfrage mit besonderer Berücksichtigung 20*

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