Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

GARMS-CORNIDES, Elisabeth: Marginalien des 18. Jahrhunderts zu zwei Biographien des Grafen Karl Firmian

144 Elisabeth Garms-Cornides Charakteristik Firmians aus der Feder Leopolds, damals noch Großherzog der Toskana, sehr nahe: „Ministro Conte Firmian onesto abile capace, ma indolente, non vuole lavorare, non ascolta nessuno, lascia andare tutto per non averne brighe ne fastidi, ora é anche invecchiato, é troppo dedito alle belle lettere, e attorniato di gente di servizio e segreteria che abusano della sua bontá e spesso prendono denari per gli affari“ 76). Wir haben eine in ihrer Art wohl seltene Quelle nach Ereignissen und Persönlichkeiten befragt. Was vermag sie über den Schreiber selbst auszusagen, über den Mann, der 25 Jahre lang als rechte Hand des Staatskanzlers das Dipartimento d’Italia leitete, dessen persönliche Ini­tiative mit der seines Vorgesetzten so eng verschmolzen ist, daß man Auftrag und Ausführung, Idee und Konzept, nicht mehr voneinander lösen kann77)? Relativ wenige persönliche Äußerungen von Sperges sind überliefert, die Hauptmasse bilden die Briefe an seinen Bruder Norbert, Abt von Wilten, und an den Freund Andreas Joseph von Laicharding, Guber- nialrat und Straßenbaudirektor in Innsbruck. Diese Quellen wurden von H. Lentze zu einem Charakterbild Sperges’ verarbeitet, zu dem Pascher noch einiges beitragen konnte78). Lentzes schöne Analyse stellt uns Sperges als einen echten Vertreter des theresianischen Reformkatholi­zismus vor, für den alle Kriterien, mit denen man diesen immer noch vagen Begriff einzufangen sucht, zutreffen: so, neben anderem, die Ver­bindung zu der oberitalienischen Frühaufklärung, insbesondere zu Mura­tori als der beherrschenden Gestalt der ersten Jahrhunderthälfte79); von hier her der Kampf gegen übertriebene Andachten und Aberglauben 80); die noch an den Idealen der maurinischen Erudition gebildete kritische 1 a Vita 26 meint Sperges, Joseph II. habe Firmian nur aus Einsparungsgründen nicht aus der Lombardei abberufen, „ut sumptibus parceretur alii in Italiam mittendo necessariis, quum idoneus ex Italis non adesset“. ?«) HHStA Familienarchiv Sammelbände 15: Impiegati Principali a Vienna; zit. bei Wandruszka Österreich und Italien 64 Anm. 90. 77) Dazu Pascher Sperges passim, zusammenfassend 192—193. 78) Hans Lentze Joseph von Sperges und der Josephinismus in Festschrift zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs 2 (Wien 1951) 392—412. 79) S. dazu zuletzt Zlabinger Muratori und Österreich 51—52, 199—201 (Nr. 18 und 19 des Anhangs: zwei Briefe des jungen Sperges an Muratori). 80) M/V illa Vita 42—43 werden die Schilderungen der Gebetsandachten Firmians für die Gesundheit der Kaiserin sowie nach 1780 für ihr Seelenheil recht geringschätzig behandelt: „adeo incommodum corporis habitum et cum salutis periculo in parentalium celebratione, nemo prudens laudabit“. Zu Sper­ges’ Beziehungen zu Tartarotti s. o. 133. M/V i 1 la Vita 30 zum mailändischen Kanzler Beltrame Christiani, dem Vorgänger Firmians: „a male praeconceptis opinionibus, et superstitionibus, ac figmentis religioni adsutis minime fuit immu­nis“. Daß Sperges die Protestantenaustreibung des Fürsterzbischofs Firmian mißbilligt, versteht sich von selbst (M/V illa Vita 10).

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