Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 21. (1968)

MIYAKE, Masaki: Die Achse Berlin – Rom – Tokio im Spiegel der japanischen Quellen

Die Achse Berlin-Rom-Tokio im Spiegel der japanischen Quellen 415 Dr. Richard Sorge, geboren im Kaukasus 1895 als Enkel des deutschen Sozialisten Adolf Sorge, des Sekretärs von Karl Marx, und als Sohn eines reichen deutschen Kaufmannes in Berlin-Lichterfelde aufgewachsen, ab 1918 Mitglied der USPD, dann der KPD, ab 1925 Mitglied der sowje­tischen kommunistischen Partei, weilte ab 1933 in Japan und gelangte dort in großem Umfang in den Besitz von Staatsgeheimnissen Japans. Angekommen in Tokio als Mitglied der NS-Partei und als Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“, konnte er besonders in der deutschen Botschaft in Tokio wichtige Informationen sammeln. Weil Dr. Sorge seine große Aufmerksamkeit auf die deutsch-japanischen Beziehungen und auf die Rußland-Politik beider Staaten richtete, sind diese neu erschienenen Polizeiakten über Sorge als historische Quellen für diese Probleme von wesentlicher Bedeutung. In seinen Aufzeichnungen, die er für den Staatsanwalt Mitsusada Yoshikawa, der diesen Fall Sorge untersuchte, verfaßte, beschreibt Sorge die Tatsache, daß er während seines Aufenthaltes in Shanghai, wo er von Januar 1930 bis Dezember 1932 seine Spionagetätigkeit ausübte, die Politik der deutschen Reichswehr in China mit Aufmerksamkeit verfolgte. In Tokio angekommen, durchschaute Sorge früh die Bedeutung der geheimen Kontaktaufnahme zwischen Oberst Öshima, damals Militär- attaché Japans in Berlin, und Ribbentrop, der durch einen Mittelsmann namens Friedrich Hack die Beziehungen zu Öshima unterhielt. Neben diesen ersten Kontaktaufnahmen, die übrigens von Moskau aus beobachtet wurden, verfolgte Sorge die weiteren Annäherungsversuche zwischen Berlin und Tokio. Er sagt in dieser Aufzeichnung: „Es ist gerade dieses Problem (die deutsch-japanischen Annäherungs­versuche), auf das ich während meines ganzen Aufenthaltes in Japan immer meine größte Aufmerksamkeit richtete. Un es war ohne Zweifel das große Anliegen Moskaus, zu erfahren, wie stark die antisowjetische Haltung Deutschlands und Japans während der Bündnisverhandlungen gewesen wäre. Nach dem Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges im Sommer 1941 war es das Hauptanliegen Moskaus, in Erfahrung zu brin­gen, ob Japan seiner sowjetfeindlichen Haltung entsprechende Kriegs­handlungen beginnen werde. Es war eine der größten Aufgaben von mir, die Antwort auf dieses Problem zu finden. Mein Spionagering erreichte in dieser Hinsicht einen glänzenden Erfolg“ 1S). Auf diese Weise sind wir nunmehr in der Lage, alle die Details des bisher so rätselhaft gebliebenen Falles Sorge auf Grund der ausführ­lichen Akten der japanischen Polizei zu verfolgen und diese Details mit * 18 der des Verlages Hara-Shobo mit dem Sammeltitel „Meiji Hyakunen-shi Sösho“ (Sammlung zur 100-jährigen Meiji-Geschichte) die größte Aktenveröf­fentlichung zur Zeitgeschichte in Japan dar. 18) Zoruge Jiken (Der Fall Sorge), hrsg. von Toshito Obi, Tokio 1962, Bd. 1., S. 183 f.

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