Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 21. (1968)

RAUCHBAUER, Ursula: Die Außenpolitik Österreich-Ungarns 1870–1871 im Spiegel der amerikanischen Gesandtschaftsberichte John Jays

Die Außenpolitik Österreich-Ungarns 1870—1871 353 und eine Vermittlung herbeizuführen. Nach Kriegsbeginn suchte Beust zu einer Verständigung mit den neutralen Mächten zu gelangen, um ein gemeinsames Eingreifen der Neutralen vorzubereiten. Über Österreichs Verhältnis zu Italien berichtete Jay Ende Juli an das State Department, „that Austria and Italy are in accord and will pursue the same policy“ 95). 14 Tage darauf wiederholte Jay diese Beobachtung und wies auf die guten Beziehungen Österreichs zu Italien hin96). Die englisch-österreichischen Beziehungen schienen dem Amerikaner ebenfalls sehr gut zu sein. „There is a more cordial understanding between the Cabinets of London and Vienna, than has hitherto existed“. Die Interessen Österreichs und Englands seien zur Zeit ähnlich, dies habe sich in den Vermittlungsversuchen vor Ausbruch des Krieges gezeigt und werde nun durch die Neutralitätserklärungen beider Staaten unterstrichen. Über den Gleichklang der englischen und österreichischen Interessen wurde Jays Ansicht noch bestärkt, als sich Beust und Bloomfield fast gleichlautend über die Veröffentlichung der „Benedettipapers“ äußerten97). Am 25. Juli 1870 war in der englischen „Times“ auf Veranlassung Bismarcks ein Vertragsentwurf Benedettis, vermutlich vom August 1866, erschienen. Mit dem Bekanntwerden des Entwurfes, der in der Öffentlichkeit großes Auf­sehen hervorrief, wollte der preußische Kanzler eine Entfremdung zwi­schen England und Frankreich herbeiführen 98 * *). Der Entwurf sah für das Zugeständnis an Preußen, die süddeutschen Staaten unter dessen Macht­sphäre zu bringen, französische Kompensationsforderungen auf Belgien, Luxemburg und die Rheinprovinzen vor. In Wien war man von der Echt­heit des veröffentlichten Vertragsentwurfes überzeugt, und Beust und Bloomfield sahen durch dessen Veröffentlichung Frankreich und Preußen in gleicher Weise kompromittiert. Beust sagte zu Jay: „It ist impossible, if the project of such a Treaty was submitted in writing by Mr. Benedetti, one of the youngest of the French Diplomats, that he should have done it, without previous encouragment on the part of Count Bismarck“ "). Mitte August wußte Jay nach Washington zu berichten, „that there is a growing tendency to an understanding between Austria and Russia“. Als Grund für diese Annäherung führte Jay die Bedrohung beider Staaten durch die militärische Macht eines geeinten Deutschlands an. Inwieweit sich die Ansichten Rußlands und Österreichs wirklich genähert hatten, konnte der amerikanische Diplomat nicht mit Sicherheit angeben, glaubte aber zu wissen, daß sich beide Staaten geeinigt hätten, „to rest neutral »5) Jay an Fish: 29. 7. 1870. 96) Jay an Fish: 15. 8. 1870. 97) Jay an Fish: 29. 7. 1870. 98) Kurt Rheindorf, England und der deutsch-französische Krieg, Bonn 1923, S. 52 ff. — A. Stern, 10. Bd., S. 370 f. — Walter Bußmann, Das Zeitalter Bismarcks, Konstanz 1956, S. 118. »9) Jay an Fish: 29. 7. 1870. Mitteilungen, Band 21 23

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