Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 20. (1967)
BRETTNER-MESSLER, Horst: Die Balkanpolitik Conrad von Hötzendorfs von seiner Wiederernennung zum Chef des Generalstabes bis zum Oktober-Ultimatum 1913
Die Balkanpolitik Conrad v. Hötzendorfs 207 Übergabe Skutaris55 56) und als die Stadt am 23. April tatsächlich in die Hände der Montenegriner fiel, kam es in Belgrad und Athen zu begeisterten Kundgebungen 66). Hatte man in St. Petersburg, Belgrad und Cetinje darauf gehofft, die Monarchie werde den Fall der Stadt widerspruchslos hinnehmen, so täuschte man sich diesmal, mußte doch ein Nachgeben Österreich-Ungarns bedenkliche Auswirkungen auf die Stimmung der südslawischen Bevölkerung der Monarchie zeigen und auch die Stellung der Donaumonarchie als Großmacht stand auf dem Spiele 57). Unmittelbar nach dem Eintreffen der Nachricht von der Übergabe der Stadt traten Berchtold, Conrad, Admiral Haus, Graf Szápary und Graf Nemes zu einer Unterredung zusammen, um die nächsten Maßnahmen zu beraten. Man beschloß die Mächte zu einem eindeutigen Entschluß aufzufordern. Sollte diese Aufforderung erfolglos bleiben, dann wollte man selbständig handeln 58). In London konnte man sich jedoch nicht zu einem energischen Schritt entschließen. Die Ratlosigkeit der Botschafterkonferenz schildert ein Bericht Horváths vom 22. April. Der Militärattachö berichtet, daß man wieder auf den bereits einmal fallengelassenen französischen Vorschlag zurückgekommen sei, wonach Skutari den Großmächten überlassen werden sollte, „ . . . dann wäre für Montenegro gar kein Vorwand mehr vorhanden um die Belagerung forzusetzen. Viel Anklang fand aber der Gedanke auch diesmal nicht. Die Gründe dürften wohl die sein, daß man vielleicht fürchtet, die Türkei könnte bei dieser Gelegenheit die Souzeränitätsfrage über Albanien aufrollen oder — was noch wahrscheinlicher ist — die Mächte fürchten, daß Montenegro auch dann nicht nachgeben und sie zu einer energischen Aktion zwingen würde, zu welcher offenbar keine Lust besteht 59).“ Da auch Berchtold entmutigende Nachrichten aus der englischen Hauptstadt erhielt 60), fand am 26. April abermals eine Konferenz zwischen Berchtold, Krobatin, Conrad, Haus, Szápary und Nemes statt. Der Außenminister teilte den Anwesenden die Antwort der Botschafter- réunion auf die Forderungen der Monarchie mit. Der Ratschlag der Konferenz lautete, die Blockade enger zu ziehen („de resserer le blocus“), wovon Conrad sich jedoch wenig versprach. Ebenso wandte er sich gegen eine Besetzung Cetinjes oder des Sandschaks, da dies vom militärischen 55) Ebenda: S. 265. (Telegramm Hubkas vom 21. IV. 1913). 56) Hantsch: Graf Berchtold I S. 405. Uebersberger: S. 130. 57) Weinwurm: S. 226. 58) A. M. D. Ill: S. 266 ff. (Konferenz bei Berchtold am 23. IV. 1913). Hantsch: Graf Berchtold I S. 406. Über den Inhalt der Konferenz weichen Berchtolds und Conrads Memoiren etwas voneinander ab. 59) K. A.: C.-A. Fasz. B 3. (Bericht Horváths an Conrad vom 22. IV. 1913, Geh. Nro. 52 präs. 25. IV. 1913). •°) Hantsch: Graf Berchtold I S. 407.