Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 20. (1967)
BRETTNER-MESSLER, Horst: Die Balkanpolitik Conrad von Hötzendorfs von seiner Wiederernennung zum Chef des Generalstabes bis zum Oktober-Ultimatum 1913
204 Horst Brettner-Messler jedoch ebenfalls ergebnislos verlief40). Am 1. April erging an die österreichisch-ungarische Flottenabteilung der Befehl vor Antivari zu kreuzen und das Eintreffen der englischen und französischen Schiffe abzuwarten41). In einem Schreiben an Berchtold vom 2. April machte Conrad aus seiner Abneigung gegen die gemeinsame Flottenaktion kein Hehl und wiederholte seine bereits öfters vorgebrachten Kriegsforderungen, ohne jedoch den Minister des Äußeren, der ein selbständiges Vorgehen der Monarchie ohne Einwilligung der Mächte vermeiden wollte, überzeugen zu können 42). Auch in den folgenden Tagen trafen bei Conrad mehrere Berichte mit besorgniserregendem Inhalt ein, die er sofort in Berchtold weiterleitete, nicht ohne jedesmal energische Maßnahmen zu fordern43). Da man am Ballhausplatz die Krise jedoch im Einvernehmen mit den Großmächten lösen wollte, blieben Conrads Vorstellungen erfolglos, und auch der Thronfolger sprach sich gegen ein isoliertes Vorgehen aus 44 45). Da der Chef des Generalstabes mit seinen Forderungen auf allgemeine Ablehnung stieß, wandte er sich wiederum an F. Z. M. Potiorek, um diesen über die internationale Lage zu informieren und die militärischen Maßnahmen für den Kriegsfall zu erörtern. Auch der Landeschef trat in seinem Antwortschreiben für den „Apell an die Waffen“ ein, da längeres Zaudern schwerwiegende Auswirkungen auf den Geist und die Disziplin der Truppe zeigen würde4B). Den Plan Montenegro durch finanzielle Unterstützung zum Nachgeben zu zwingen, lehnte der Generalstabschef aus militärischen und politischen Erwägungen ab 46). Neben der Korrespondenz mit Potiorek sind zum Verständnis von Conrads Haltung Montenegro gegenüber zwei Mitteilungen der Militär- attaehés in Belgrad und Cetinje von Bedeutung. Am 8. IV. berichtete Major Gellinek, daß man im serbischen Offizierskorps nicht an die Herausgabe der besetzten Gebiete denke, weiters, daß Rußland heftiger denn je gegen die Monarchie agitiere, und daß der russische Militärattache die Serben in der Meinung bestärke, Österreich-Ungarn sei infolge der Unverläßlichkeit der südslawischen Regimenter, ungenügender Rüstung 40) A. M. D. Ill: S. 231. (Unterredung Conrads mit Berchtold vom 1. IV. 1913), S. 233 (Audienz Conrads bei Franz Joseph am 2. IV. 1913). Siehe auch K. A.: C.-A. Fasz. B 3 (Brief Berchtolds an Conrads vom 1. IV. 1913, präs. 2. IV. 1913): Der Außenminister teilt dem Chef des Generalstabes das Ergebnis seiner Audienz vom 1. IV. 1913 beim Kaiser mit). Weiters Hantsch: Graf Berchtold I S. 403, Anm. 23. «) A. M. D. Ill: S. 233. Ö.-U. A. VI: n. 6413. Hantsch: Graf Berchtold I: S. 403, Anm. 23. 42) A. M. D. Ill: S. 233 f. (Schreiben Conrads vom 2. IV. 1913). 43) Ebenda: S. 2341 44) Ebenda: S. 235. (Konferenz bei Berchtold am 4. IV. 1913), S. 236. (Schreiben Bardolffs vom 4. IV. 1913). 45) Ebenda: S. 239 ff. (Schreiben Conrads vom 7. IV. 1913). 46) Ebenda: S. 2461 (Brief Conrads vom 10. IV. 1913), S. 2521 (Telegramm Horváths vom 12. IV. 1913 sowie Antwort Conrads).