Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 20. (1967)

WEHRL, Franz: Der „Neue Geist“. Eine Untersuchung der Geistesrichtungen des Klerus in Wien von 1750–1790

106 Franz Wehrl Es fehlte nicht an wohlwollenden und wohlmeinenden Zeitgenossen — von den Feinden der Mendikanten ganz abgesehen —, die der Meinung waren, daß die Mendikanten wegen ihrer nahen Beziehung zum Bauern­tum ihren erheblichen Anteil am abergläubischen Treiben der Zeit gehabt hätten 434). An den Franziskanern und Kapuzinern scheiterte ein Großteil aller noch so hoffnungsvollen Ansätze der josefinischen Reform: Die Kapuziner seien, so heißt es einmal, von den bestehenden Orden am meisten von der Regierung gezüchtigt worden, weil sie der Verbesserung am hartnäckigsten widerstünden 435). „Die Vorsteher dieses Ordens haben bisher ihr mög­lichstes getan, um ihre jungen Leute gegen den Strahl der Aufklärung zu bedecken“ 436). So mußte der kaiserliche Hof nicht weniger als in vier schweren Fällen der Übertretung von Gesetzen protestieren: bezüglich des Profeß- alters, der Studienfreiheit ihrer Scholastiker, der Beziehungen mit aus­ländischen Ordensobern und des Klosterkerkers. Von den 116 Bruderschaften, die in Wien bestanden, war wiederum ein Großteil zur Betreuung den Bettelmönchen anheimgegeben. — Die Opposition, die sich um die Erhaltung dieser Nebenandachten und Vereinsfrömmigkeit regte, entsprang nicht rein ideellen Gründen, sondern aus der finanziellen Notwendigkeit. Johann Neuberger, der sich schon sehr früh für die Einkünfte der Klöster interessierte, ist der Meinung, daß die „andächtigen Wallfahrten“ recht viel in die Klöster tragen, daß die Bruderschaften und andere geist­liche Werke nicht ohne Kosten des Volkes abgehen, weil jeder Sodale außer seinen freiwilligen Abgaben die jährliche Kontribution zu entrich­ten hatte 437). Hofrat Heinke, den dieses Problem von Amts wegen nicht weniger beschäftigte, sah voraus, „daß kein abgeschaffter Mißbrauch“ (die Bruder­schaft) sich schneller wieder Eingang verschaffen werde, als der, weil er eine Geldquelle für den Welt- und Ordensklerus bedeute 438). Es sei schließlich auch dies bemerkt, daß sich hinter der Hartnäckigkeit, mit der gewisse Kreise aus der Geistlichkeit die Rechte der Alten Kirche verteidigten, ein Protest verbarg, nicht nur gegen die Übergriffe des Staates, sondern auch gegen jede berechtigte und notwendige Reform. Gegen die „Lästerer des Armeninstitutes“ beklagt sich der Beschuhte Karmelitenpater Siegmund aus Stättenhofen, daß es ein beweinenswürdi- ger Fehler sei, alles was neu eingerichtet werde, übel auszudeuten ... In 434) Lenhart Ludwig, Kirche und Volksfrömmigkeit im Zeitalter des Barock, Freiburg 1956, S. 66. 43ä) WKZ, 1785, S. 30. 436) WKZ, 1785, S. 31. 437) Neuberger J., Gg. Abhandlung von den Einkünften der Klöster, a. o. O. 438) Maaß F., Der Josephinismus, a. a. O., Bd. Ill, S. 356 (Persönliche Anmer­kung Heinkes).

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