Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bedeutung des Zeitungsarchivs Borgs-Maciejewski für die zeitgeschichtliche Forschung
588 Literaturberichte und die politischen Denkschriften für den Historiker von Interesse. Etwas zu kurz scheint uns die Auswahl aus den Briefen geraten zu sein. Zum Schluß werden noch einige der vielen berühmten Anekdoten über de Ligne geboten, mit Angaben über seinen dürftigen Nachlaß und mit Nekrologen über ihn aus der Feder berühmter Persönlichkeiten. Wenn wir auch den Wert einer solchen Auswahl in wissenschaftlicher Hinsicht nicht zu hoch schätzen mögen, bietet das Buch doch eine gepflegte und amüsante Lektüre und ist in vieler Hinsicht sogar anregend, da es den Leser veranlaßt, sich weiter mit der Persönlichkeit de Lignes und seiner Zeit zu beschäftigen. Rudolf Neck (Wien). Bourgoing Jean de, Andere Zeiten — Rückblick vor dem Abschied, Bergland Verlag Wien 1964, 405 S. 18 Bildbeigaben. Dieses Memoirenwerk ist, wie könnte es beim Historiker Bourgoing anders sein, mehr als nur ein Erinnerungsbuch, mehr als ein anregend und fesselnd geschriebener Lebenslauf, es ist ein umfassender Essai zur österreichischen Geschichte, genauer gesagt, zur Geschichte der franzisko- josephinischen Epoche und ein tief empfundener Epilog auf die k. u. k. Monarchie. Für den Autor ist diese Epoche erlebte Gegenwart, allerdings eine Gegenwart „Anderer Zeiten“, für die Mehrzahl der heutigen Leser aber bereits historische Vergangenheit. Es ist selbstverständlich, daß der Standpunkt, von dem aus der Rückblick erfolgt, daher ein durchaus verschiedener ist und damit auch die Erfassung des Blickfeldes. Wenn der Verfasser auch sozusagen mit innerer Anteilnahme und, um eine gerne angewandte Phrase zu gebrauchen, cum studio et sine ira und nicht nur als objektiver Geschichtsschreiber seine Memoiren hier vorlegt, so verzichtet er doch auch hier nicht auf das politisch-historische Urteil, das sich in allen seinen anderen Werken als zutreffend und richtig erwiesen hat. Es wird in diesem Erinnerungswerk die ganze Thematik der Problemstellungen sichtbar, vor deren Lösung die Habsburgermonarchie in ihren letzten Jahrzehnten sich gestellt sah und an deren Unlösbarkeit sie ja schließlich auch zugrunde gegangen ist. Obwohl der Verfasser, der im hohen Alter von 89 Jahren noch immer als Geschichtsforscher und Geschichtsschreiber tätig ist, eigentlich nur die Hälfte seines Lebens in der Zeit der alten k. u. k. Monarchie verlebte, ist doch der Erinnerungsband fast zur Gänze diesem von ihm sicher zur „besseren Hälfte“ gerechneten Lebensabschnitt gewidmet. Diese „andere Zeit“ war ihm eben im eigentlichen Sinn Heimat und Lebensinhalt und der Darstellung ihrer Geschichte, ihrer Daseinsform und Lebensatmosphäre gilt sein ganzes Bemühen. Die eigenen Lebensdaten und die Schicksalswege seines eigenen Lebenslaufes sind in seinen Memoiren nie in den Mittelpunkt gerückt, sie sind sozusagen nur die Aufhänger für die historischen, kulturellen und politischen Exkurse, in deren Zentrum immer das in seinem letzten abendlichen Glanze erstrahlende franzisko-josephinische Reich und in Sonderheit dessen Haupt- und Residenzstadt Wien steht. Der Autor, der am 30. Dezember 1877 in Budapest als Sohn des französischen Diplomaten Baron Othon de Bourgoing und der österrei