Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bedeutung des Zeitungsarchivs Borgs-Maciejewski für die zeitgeschichtliche Forschung

540 Archivberichte drei Universitäten in Tokio (1 staatliche und 2 konfessionelle) haben 1 Kopie zur gemeinsamen Benützung erhalten. Ein für die Gregoriana in Rom bestimmtes Exemplar wird derzeit noch im Institut für politische Wissenschaften in München ausgewertet, da die auf zeitgeschichtlichem Gebiet forschenden Professoren der Gregoriana durch die Edition der Briefe und Akten Pius’ XII. voll ausgelastet sind. Die Zusammensetzung des ebenso reichhaltigen wie interessanten Archivs ist von der Persönlichkeit seines Begründers geprägt. Der einer alten rheinisch-polnischen Familie entstammende, am 16. Dezember 1896 in Düsseldorf geborene Jurist und Pädagoge Borgs-Maciejewski hat sich schon ab 1913 mit „vergleichender Zeitungskunde“ beschäftigt') und das politische Geschehen, besonders die Kulturpolitik, mit Aufmerk­samkeit verfolgt. Der erste Teil seines erhaltenen Archivs reicht bis 1921 zurück. Er enthält neben einigen vollständigen Jahrgängen katholischer Kulturzeitschriften wie des „Neuen Reiches“ oder der „Schöneren Zu­kunft“ zahlreiche Nummern der „Weltbühne“ Carl von Ossietzkys oder des „Tagebuchs“ aus den Jahren 1924 bis 1932. Die Machtergreifung Hitlers 1933 ließ in Borgs, der dem Zentrum eng verbunden war, den Entschluß reifen, durch eine genaue „Dokumen­tation der Ereignisse unter der Herrschaft des Nationalsozialismus Mate­rial gegen diesen selbst zu gewinnen“* 2). Er sammelte daher von 1933 an die einschlägigen Artikel der wichtigsten rheinischen und Berliner Zeitungen aller damals noch zugelassenen politischen Richtungen, d. h. also katholischer und bürgerlich-liberaler Blätter, aber auch amtlicher Organe der NSDAP und damals in Deutschland noch erhältlicher aus­ländischer Zeitungen. Durch die chronologische Ordnung der einzelnen Beiträge gewann er ein erstaunlich buntes und reichhaltiges Bild der geschichtlichen Entwicklung jener Zeit, das er heute mit Recht als seine „dialogische Hitlerchronik“ bezeichnen kann 3). Trotz der drohenden Ge­fahr einer Entdeckung durch die Gestapo hat Dr. Borgs ab 1933 seine Sammlung zunehmend vergrößert: Während das Material aus dem Jahr 1933 nur zwei schmale Bände umfaßt, liegen aus den letzten Vorkriegs­jahren und aus der Kriegszeit fast für jeden Tag mehrere Beiträge vor. Die die Jahre 1933 bis 1945 betreffenden Bände sind daher der umfang­reichste und für die zeitgeschichtliche Forschung wichtigste Teil des Ar­chivs. Es wurde aber auch noch nach dem Kriegsende bis 1950 weiter­geführt, wobei wieder Berliner und rheinländische Zeitungen das Haupt­kontingent bildeten. In diesem dritten Teil des Archivs sind die Ber­liner Zeitungen von 1946 bis 1948 von besonderem Wert, da sie damals die einzigen waren, die in allen vier Besatzungszonen vertrieben werden konnten. Die schwierige Nachkriegssituation, der mühsame Aufbau einer demokratischen Ordnung haben in ihnen ihren publizistischen Nieder­schlag gefunden. x) Undatiertes Schreiben Dr. Borgs-Maciejewskis vom Herbst 1966 an die Verf. 2) Gutachten des Staatsarchivsrats Dr. Kohte, Bundesarchiv Koblenz, vom 5. XI. 1952. 3) Dr. Borgs-Maciejewski am 28. VIII. 1966 an die Verf.

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