Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

NECK, Rudolf: Sammelreferat. Zeitgeschichte

Rezensionen 697 Tripelallianz völlig' fehlten, obwohl anderseits sogar der Kriegsfall Kanada — USA immer wieder erwogen wurde, selbst noch nach der Aus­söhnung im Panamakonflikt. Schließlich bahnte sich dann doch die An­näherung an Frankreich an, wesentlich gefördert durch die Bemühungen Cambons. Zunächst stießen Frankreichs Aspirationen in Marokko auf Englands Widerstand, da hiedurch die Verbindung der Mittelmeerflotte mit der Heimat bedroht erschien. Ein französisches Marokko war für Eng­land nur tragbar, wenn Deutschland statt Rußland und Frankreich als Feind betrachtet werden mußte. Es ist bezeichnend, daß bereits neun Mo­nate nach Lansdownes Nachgeben in Marokko die entente cordiale zustande­kam. Als Ergebnis seiner Arbeit kommt Grenville zu der Feststellung, daß der Kurswechsel der englischen Politik nicht planmäßig vor sich ging, sondern das Ergebnis verschiedener kleiner Entscheidungen darstellt. Salisbury wollte keine Bindungen für unvorhersehbare Fälle eingehen, betrachtete eine Allianz im Frieden als künstlich, irreal und wertlos, wenn nicht eine echte Interessengemeinschaft in einer bestimmten Krise gegeben ist. Auch Lansdowne wünschte keine allgemeine Defensivallianz, sondern eine möglichst genaue Präzisierung des Casus belli. Er hielt manche Züge der Politik Salisburys aufrecht, hatte aber die ihr zugrundeliegenden Prinzipien aufgegeben. Die Hauptunterschiede zwischen Salisbury und Lansdowne erblickt Grenville darin, daß letzterer bereit war zur Geheim­diplomatie selbst beim Abschluß von Verträgen, daß er das Parlament weit weniger beachtete als Salisbury; seine Politik beruhte viel weniger auf Prinzipien, auch der status quo im Mittelmeer war ihm nicht so wichtig. Charakteristisch für die Ära Lansdowne ist weiter ein Anwachsen des Einflusses der Admiralität. Salisbury als Premierminister wehrte sich kaum gegen den neuen Kurs und fühlte sich zusehends isoliert. So erscheint es wohl begründet, daß der Titel des Buches nicht lautet „die Außenpolitik Lord Salisburys“, sondern „Lord Salisbury und die Außenpolitik“. Die eigenartige Stellung und Bedeutung dieses Mannes, aber auch die grundlegende Verschiedenheit in Struktur und Arbeitsweise des englischen Kabinettes gegenüber den Regierungen des Kontinents wird damit gut charakterisiert. Grenvilles Arbeit ist ein sehr bedeutsamer Bei­trag zur Kenntnis der Außenpolitik der Großmächte vor dem ersten Welt­krieg. Walter Wagner (Wien). Ar chiv wis sens chaft E n g s 11 e r Ludwig, Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts. Schriftenreihe Annales universitatis Saraviensis 8, Carl Heymanns Verlag KG, Köln—Berlin—Bonn—München 1964, 301 S. Die Problemstellung, der vorliegende Untersuchung dient, ist eine völkerrechtliche. Wie hat das jus gentium im Lauf der Geschichte zu den aufgeworfenen Fragen Stellung genommen, wie schützt es die gebiets­

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