Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
NECK, Rudolf: Sammelreferat. Zeitgeschichte
690 Literaturberichte Bevölkerung die kirchlichen Maßnahmen Josephs II. sehr große Bestürzung hervor. Sie gingen Hand in Hand mit dem im Jahre 1786 vollzogenen völligen Abbau der historischen Institutionen und der gänzlichen „Gleichschaltung“ des Staates, die nach heutiger italienischer Auffassung als die Scheidung der Ehe zwischen Lombardei und Österreich gilt. Bei mancher kleinen Richtigstellung der traditionellen Auffassungen da und dort ist dieses kleine Buch sehr geeignet, das gegenseitige Verständnis zwischen Italien und Österreich zu fördern und der Autor ist. bei seiner tiefen Kenntnis des italienischen Volkes und bei seiner persönlichen Beziehung zu Italien in besonderer Weise für eine solche Aufgabe prädestiniert. Anna Coreth (Wien). Benedikt Heinrich, Kaiseradler über dem Apennin. Die Österreicher in Italien 1770 bis 1866. Verlag Herold. Wien—München. 1964, 480 Seiten, 24 Abb. Die österreichische Herrschaft in Italien beginnt frühzeitig — schon die Babenberger waren Herren zu Portenau (Pordenone) — und sie endete in den nordöstlichen Randgebieten mit überwiegend italienischer Bevölkerung erst mit dem Zerfall der alten Donaumonarchie. Der Autor greift aus dieser vielhundertjährigen Epoche die Zeiten größter Ausdehnung habsburgischen und lothringischen Länderbesitzes auf der Apenninhalbinsel heraus. Die Lombardei und Toscana waren lange Zeit Horste des Kaiseradlers, Venedig, Neapel, Sardinien, Sizilien, Parma und Modena lebten nur kürzere Zeiträume unter dessen Fittichen oder waren das Ziel gelegentlicher Flüge. Freundliches Miteinanderleben und fruchtbare Kulturarbeit waren kennzeichnend. Im Donaureiche war der italienische Einfluß auf den Gebieten der Kunst, der Musik, der Wissenschaft und der Sprache nicht gering. Ordnung, Sicherheit, musterhafte Verwaltung unter Bevorzugung des italienischen Elements haben die Lombardei und Venetien vor dem übrigen Italien ausgezeichnet, Toscana blühte unter beliebten Fürsten, die dem Fortschritt aufgeschlossen waren. Der zuerst nur von einer dünnen intellektuellen Schicht aufgenommene Kampf zur Erlangung der nationalen Einheit Italiens machte Freunde zu Feinden, milde Verwalter zu Bedrückern, den Doppeladler zum verhaßten Symbol landfremder Gewalten ... aber darüber mehr in Benedikts Buch. Der Autor vermeint in der Vorrede, der Leser werde vielleicht ein aus sehr vielen kleinen Steinen Zusammengesetzes Mosaik vorfinden. Aber diese Steinchen bringen in weitester Streuung eine Unmenge von Material geschichtlichen, biographischen, wirtschaftlichen, soziologischen und kulturellen Inhaltes. Freilich fällt bei dieser Überfülle des Gebotenen so manches vielleicht Erwähnenswerte unter den Tisch, aber dies ist begreiflich. Wenn das Buch dem aufmerksamen Leser viele Anhaltspunkte gibt, um zu einem neuen, besseren Geschichtsbild dieser Epoche zu gelangen, müssen wir anerkennen, daß darin das Hauptverdienst dieses Werkes liegt. Viele Steine sind aus dem Wege zu räumen, die hinsichtlich des italienischen Ringens um die nationale Einigung, des vielberufenen Risorgimento, zu Eckpfeilern geschichtlicher Betrachtung wurden und die heute, neben anderem, Hindernisse für ein besseres Verständnis zwischen Nachbarn bilden. Bemühungen zu ihrer Beseitigung sind bei beiden Teilen im Gange, guter Wille und