Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

NECK, Rudolf: Sammelreferat. Zeitgeschichte

Sammelref erate 685 kationén zwischen die geschilderten Extreme von Ladner und Klingenstein einstufen. Die Untersuchung von Erwin Steinböck gibt ein reich mit Zahlen belegtes und gründliches Bild vom Anteil der Volkswehr an den Abwehr­kämpfen in Kärnten 1918/19, wobei die Freiwilligenverbände eine besondere Berücksichtigung finden. Die auch mit militärischen Skizzen und Fotos ausgestattete Studie vermittelt insbesondere in der nüchternen Sprache der Verlustziffern ein eindrucksvolles Bild des Abwehrkampfes. Manche schiefe Auffassung, die bisher unser Geschichtsbild beherrschte, wird durch dieses kleine Werk korrigiert. Freilich — was den Anteil der Nicht-Kärntner an den Kämpfen betrifft — wären noch einige Ergänzungen wünschenswert. Nicht ganz so einfach ist die Beurteilung der Studie Josef Hofmanns über den Pfrimer-Putsch. Sie ist vor allem verdienstvoll im Hinblick auf das bisher vielfach noch unerschlossene Quellenmaterial, das der Verf. her­angezogen hat, besonders was den das Ereignis abschließenden Grazer Pro­zeß gegen die Putschisten betrifft. In der Beurteilung der turbulenten Vorgänge in der Steiermark im September 1931 vermögen wir H. allerdings nicht zu folgen. Es scheint vielmehr, daß er die Gefahr, die dem demokra­tisch-parlamentarischen System seitens der Heimwehr drohte, nicht ernst genug nimmt. Sie war aber ernst zu nehmen, nicht angesichts des kläglichen Fiaskos des Putsches, sondern im Hinblick auf die Reaktion der zuständigen staatlichen und gerichtlichen Organe und unter Berücksichtigung der kaum anderthalb Jahre später einsetzenden innenpolitischen Entwicklung. Hier läge m. E. hinreichend Grund vor, den Putsch nach Verlauf und Ergebnis­sen historisch völlig anders einzuordnen, als dies H. letzten Endes tut. Doch ist dies ein Punkt, über den sich diskutieren ließe und der den effek­tiven Wert der Arbeit nicht mindern darf. Im ganzen kann daher diese neue Publikationsreihe vom Standpunkt der Wissenschaft in ihrer Bedeutung für die österreichische Zeitgeschichte nicht hoch genug eingeschätzt werden und es wäre zu begrüßen, wenn in rascher Folge weitere Einzelstudien veröffentlicht würden. Für den bisher fehlenden Band 3 der Reihe ist dem Vernehmen nach eine größere Arbeit des Herausgebers über den Juli 1934 vorgesehen. Das Auftauchen neuer Quellen zu diesem Thema hat das Erscheinen etwas verzögert. Die bedeutendste dieser neuen Quellen, der Bericht der historischen Kommission des Reichsführers SS über die Erhebung der österreichischen Nationalsozialisten im Juli 1934, der vor einem Jahr unter dramatischen Umständen in der Tschechoslowakei geborgen werden konnte, ist in der Paperback-Reihe „Europäische Perspektiven“ des Europa-Verlages mit einer kleiner wissenschaftlichen Einleitung aus der Feder Jedlickas und mit einem Vorwort von Herbert Steiner erschienen. Wenngleich die Publi­kation für breitere Kreise bestimmt ist, ihre Aufmachung auch diesem und nicht einem wissenschaftlichen Zweck entspricht, vermittelt sie uns doch ein instruktives Bild besonders um die Vorgänge um die Ermordung des Kanzlers Dollfuß. Der von Himmler wegen verschiedener Anschuldigungen und Rivalitäten innerhalb der österreichischen Nationalsozialisten veran- laßte Untersuchungsbericht wird in der vorliegenden Ausgabe durch Doku­mente, Zeitungsstimmen und Kommentare zur Lage in Österreich im Juli 1934 eindrucksvoll ergänzt.

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