Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
ENGEL-JANOSI, Friedrich: Einige neue Dokumente zum Tode des Kronprinzen Rudolf
Einige neue Dokumente zum Tode des Kronprinzen Rudolf. Von Friedrich Engel-Janosi (Wien). Unter den Fragen, die der Tod des Erben des Thrones Kaiser Franz Josephs dem Historiker noch immer stellt, ist nicht die letzte die nach der Haltung, die die katholische Kirche zu diesem Ereignis eingenommen hat. Kronprinz Rudolf verschied in den Morgenstunden des 30. Jänner 1889 in seinem Jagdschloß in Mayerling. Noch am gleichen Tag veröffentlichte die „Wiener Zeitung“ in einer Sonderausgabe und die „Presse“ in ihrem Abendblatt die Todesnachricht und gaben Herzschlag als Todesursache an und diese Version wurde auch am folgenden Tag festgehalten. Vom 1. Februar an verlautbarten die Wiener Zeitungen Tod durch eigene Hand, die offizielle Version, die seither festgehalten wurde; am folgenden Tag wurde auch ein Auszug des Sektions- befundes der Ärzte bekanntgegeben. Da am 2. Februar die Morgenblätter der Wiener Zeitungen die Details über das kirchliche Begräbnis, das für den 5. Februar angesetzt war, veröffentlichten, muß die Bewilligung des Vatikans für die kirchliche Bestattung des Selbstmörders spätestens am 1. Februar erfolgt sein. Wie wurde diese erlangt? Die Wiener Überlieferung spricht von einem Telegramm von 2.000 Worten, in dem der Monarch sich an Papst Leo XIII. zu diesem Zweck gewandt habe. Wir müssen zuerst darauf hinweisen, daß die Bestände der Wiener Archive für die Zeit überaus lückenhaft sind, was kein Zufall sein dürfte; sowohl die Berichte der Botschaft am Vatikan wie die der Botschaft am Quirinal fehlen für die in Betracht kommenden Tage und das Botschaftsarchiv des Jahres 1889 ist nur in wenigen Fragmenten erhalten. Hiezu kommt, daß von den drei Beständen, aus denen Baron Mitis bei der Abfassung der einzigen vom historischen Standpunkt einwandfreien Biographie des Kronprinzen *) für diesen Abschnitt Informationen bezog, der scheinbar wesentlichste bei dem Brande des Wiener Justizpalastes im Jahre 1927 vernichtet wurde. Immerhin haben wir bei der Veröffentlichung der politischen Korrespondenz zwischen den Päpsten und den Kaisern von Österreich* 2) — eigentlich überraschender Weise -— denn die ArchivD Oskar Freiherr von Mitis, Das Leben des Kronprinzen Rudolf (Leipzig, 1928). 2) Friedrich Engel-Janosi in Zusammenarbeit mit Richard Blaas und Erika Weinzierl, Die Politische Korrespondenz der Päpst mit den österreichischen
