Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
THOMAS, Christiane: Die Bergung der kaiserlichen Kunstschätze und des Archivs 1866
302 Christiane Thomas wurden dagegen die zahlreichen frühmittelalterlichen Goldfunde58) : die berühmte goldene Gewandnadel von Osztropataka-Ostroviany, wie die Fibeln von Szilágysomlyó-Simleul Silvaniei, die altbulgarischen goldenen Becher von Nagyszentmiklós-Sinicolaul Mare, der Grabfund von Aßmeritz und der Goldschmuck von Presztovác-Brestovac und Starcova-Starcevo durften nicht in Wien zurückgelassen werden. Man vergaß auch nicht das zweite der beiden unveräußerlichen Erbstücke, die sogenannte „Gralsschale'' (Schk. XIV 1), die als größte Achatschale ihrer Art gilt. Antike und „moderne“ Kameen waren der Inhalt der ersten, römische, inschriftliche Denkmale 59) und antike Bronzen der der dritten und antike Münzen und Medaillen der der vierten Kiste. Das Hofmineralienkabinett gedachte sich mit sechs bis acht Kisten zu beteiligen, deren Last mit zehn Zentnern eingeschätzt wurde. Allein die Sammlung von Meteoriten wog sechs Zentner. Direktor Hörnes setzte sich dafür ein, neben dem Edelsteinblumenstrauß 60), außergewöhnlichen Einzeledelsteinen und 300 Ringen aus der technischen Sammlung auch 400 Stücke aus dem Bestand an Mineralien einzubeziehen. Da das Zeremoniell-Protokoll61) bei seinem Bericht über die Transportgestaltung für das Hofmineralienkabinett nur fünf Kisten ausweist, scheint dem Einwand Auerspergs, die Mineralien einzig dann der Bergung anzugliedern, wenn der Platz „unbeanstandet“ sei, stattgegeben worden zu sein. Im Haus-, Hof- und Staatsarchiv versuchte man zunächst durch ein knapp gefaßtes „Gesamtinventar“ °2) (Punkt A umschloß die Urkunden, Punkt B ältere und neuere Akten, Punkt C die Repertorien, Indices und Kurrentakten, Punkt D die in der Filiale am Laurenzerberg aufgehobenen Akten) 63) einen Überblick zu gewinnen. An eine Flüchtung all dieser Bestände war natürlich nicht zu denken. Auf 120 mit dem Buchstaben A gekennzeichnete Kisten64) wurden u. a. verteilt: Urkunden mit den einschlägigen Repertorien, die Reichsregisterbücher, die Löschnersche Siegelsammlung und Akten und Korrespondenzen des Familienarchivs; als Auswahlprinzip für die Masse der diplomatischen Akten war zweifellos Arneths Anregung maßgebend65), Preußen nicht „für Österreich demü- thigende“ Schriftstücke in Wien vorfinden zu lassen. Daher wurden Berichte und Weisungen der Reichs- und Staatskanzlei, die Preußen anlangten, 58) Die letzte Zusammenfassung darüber: Rudolf Noll, Vom Altertum zum Mittelalter; spätantike, altchristliche, völkerwanderungszeitliche und frühmittelalterliche Denkmäler der Antikensammlung (Wien, 1958). 59) Vgl. darüber: Rudolf Noll, Griechische und lateinische Inschriften der Wiener Antikensammlung (Wien, 1962). 60) Heute als Leihgabe des Naturhistorischen Museums in der Schatzkammer. 61) ZA Prot. 78, 1866, S. 66. °2) KA 1866, Beilagen zu Nr. 172. 65) In der Hauptsache die Vorträge der Staatskanzlei, die Große Korrespondenz, die Klosterratsakten und die österreichischen Akten. 64) KA 1866, Nr. 175. 65) Arneth, S. 290.