Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

BLAAS, Richard: Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels

Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels 233 Rio de Janeiro und in Lissabon befragt werden müßten, so wies man jetzt im Sommer 1818 darauf hin, daß die Gutachten dieser beiden Handels­junten leider noch nicht eingetroffen seien, und als weitere Ausrede diente dem provisorischen Leiter des Ministeriums für Auswärtige Angelegen­heiten, Thomas Antonio de Villanova-Portugal, daß er vor Ankunft des neuernannten Ministers, des Grafen Palmella, Marques de Pedro de Souza- Holstein, der noch in Portugal weilte, keine Verhandlungen aufnehmen wolle. Auch der portugiesische Vertreter in Wien Navarro d’Andrade war in diesem Sinne instruiert worden60). Als Neveu im Oktober desselben Jahres eine neuerliche Demarche wegen des österreichischen Handels­vertrages unternahm und beim König selbst die Angelegenheit vorbrachte, durfte er zwar den Eindruck mitnehmen, daß der König dem österreichi­schen Antrag sehr positiv gegenüber stehe, daß die Handels junta in Rio de Janeiro direkten Auftrag des Königs erhalten habe, ihr Gutachten unver­züglich vorzulegen, und daß eine Reduktion des Zollsatzes von 24% auf 15 % erhofft werden dürfte, aber allerdings nur dann, wenn auch in Österreich den brasilianischen Waren entsprechende Zollerleichterungen gewährt würden61 62). Auf österreichischer Seite war man bisher nicht geneigt, da Triest und Venedig ohnehin Freihäfen waren, den Binnenzoll auf brasilia­nische Kolonialwaren zu reduzieren, weil diese Zollherabsetzung, wie die Kommerzhofkommission meinte, ja nur dem österreichischen Importeur und nicht dem brasilianischen Exporteur zugute käme, da letzterer im Frei­hafen ohnehin keine Abgaben zu leisten habe. Ganz freilich stimmte diese Argumentation nicht, denn es war außer Zweifel, daß eine Reduktion des Binnenzolles auf brasilianische Kolonialwaren das Geschäft für beide Seiten interessanter gemacht hätte. Einen Testfall bildete das brasilianische Kauf­fahrteischiff St. Jago, das im Sommer 1818 die österreichischen Häfen anlief82). Es waren also wohl doch auch einige Hindernisse auf der öster­reichischen Seite auszuräumen, bevor an einen Vertragsabschluß gedacht werden konnte. Die Taktik der österreichischen Verhandlungspartner be­stand darin, zunächst die Forderungen der Gegenseite kennen zu lernen, bevor man selbst mit Vorschlägen hervortrat. In diesem Sinne wurde Neveu 60) St.K. Brasilien, Fasz. 5, Bericht nr. 7 C vom 20. August 1818. „Dans l’impossibilité oü je me trouve de faire avancer Monsieur de Thomas Antonio dans nos affaires de commerce, je en ai récemment entretenu Monsieur de Lage et cet official, le seul au département auquel on puiase s’adresser, m’a répété que cet objet ne pourroit étre traité ä fond aprés l’arrivé de Monsieur le Comte Palmela et que déja Mr. Navarro d’Andrade avait été chargé en prévenir la Cour Impériale. 61) Ebenda. Bericht nr. 9 C vom 10. Oktober 1818. 62) Hofkammerarchiv, KHK. rote Nr. 1248, ZI. 1291/C. P. ddo. 12. April 1818 und rote Nr. 1249, ZI. 1394 ddo. 21. Mai 1818. „Die geforderte Reziprozität ist gegeben in einem freien Markt, für die zum Absatz bestimmten Waaren, welcher Markt in Triest und St. Giorgio (Venedig) bei uns angebothen wird. — Der Umstand, daß die Befreiung bei uns eine allgemeine ist, könne keine Ein­wendung gegen die dem Königreich Brasilien zu erwirkende Begünstigung glei­cher Art .........(bilden)“.

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