Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

MARX, Julius: Vormärzliches Schedenwesen

Vormärzliches Schedenwesen 461 daher zurückzuziehen sein dürfte; in diesem Sinne entschied daraufhin Graf Sedlnitzky 27). Aus den Erledigungen ersieht man, daß die höchste Stelle im allgemei­nen die Vorschläge der Landesstellen zur Grundlage ihrer Entscheidungen nahm. Zwei Fälle zeigen, daß man ihnen manchmal freie Hand beließ. So bewilligte Sedlnitzky dem Professor für politische Wissen­schaften und Gesetzeskunde Andrea Zamboni in Pavia auf Einschreiten des Grafen Spaur die verbotenen Nummern des Jahrganges 1847 der Revue des deux mondes 28), ermächtigte aber den Gouverneur, Hefte zurückzu­behalten, die ihm als allgemein anstößig erscheinen sollten. Drei Krakauer Schedenansuchen zum Bezug der katholischen Zeitschrift l’Univers (ein Domherr, eine Gräfin) und von La semaine (eine Gräfin) willfahrte zwar die Hof stelle, trug jedoch dem Grafen Deym auf, diese Zeitschriften, die wegen ihrer anstößigen politischen Tendenz besondere Vorsicht erheischten, nummernweise genau durchzusehen und jene nicht auszufolgen, die ver­boten werden müßten; die Bittsteller erschienen ihm auch als nicht ganz unbedenklich. Bei abonnierten Zeitungen oder Zeitschriften gab die Zei­tungsexpedition verbotene Nummern nicht heraus; um sie mußte man wie­der ansuchen 29 *). Die Vertrauenswürdigkeit wurde manchmal durch beson­dere Hinweise unterstrichen; beispielsweise hob Graf Stadion bei einem mährischen Vize-Staatsbuchhalter, der die verbotene Zeitschrift „Europa“ von Kühne zu beziehen wünschte, unter anderem hervor, daß man ihm erst kürzlich zwei verbotene Zeitschriften bewilligt habe. Das zeigt, daß man nicht etwa deshalb, weil man mehrmals Verbotenes begehrte, auch schon als verdächtig galt. Zwei Akten zeigen andere Entscheide Sedlnitzkys als sie die Gouverneure vorgeschlagen hatten. Der Grazer Redakteur Karl v. Fran­kenstein, Herausgeber des „Innerösterreichischen allgemeinen Industrie­blattes“, suchte um eine Schede auf „Schneider Kitz“ von Max Langen­schwarz an. Graf Wickenburg trat für ihn ein und verwies darauf, daß er 2?) Dem Linzer Administrationsbericht lag ein Schreiben des Salzburger Polizeioberkommissärs Lehmann vom 20. 4. 1847 bei, in dem er berichtet, daß am Vortage nach der Parade zum Geburtsfest des Kaisers ein adeliger Ulanen­offizier, der sich verhöhnt fühlte, einen Studenten durch einen Säbelhieb ver­letzte und verhaften hatte lassen. Bei den folgenden Aufläufen war noch ein Student durch eine Militärpatrouille festgenommen worden. Beide wurden frei­gelassen, der Offizier erhielt Profossenarrest auf der Festung. —• Vgl. J. Marx, Die Sicherheitsverhältnisse der Hauptstädte des deutschen Österreich 1840—1848; in MIöG, LIV„ Innsbruck 1941, S. 208. 28) Diese Zeitschrift wurde bewilligt: dem Casinoverein, dem Generalsekre­tär der österr. Nationalbank, der Fürstin Windischgrätz (f. 1848); auf Spaurs Fürsprache erhielten die Marchesa Visconti-Aisni und deren Tochter sogar die verbotenen Nummern. 29) Bewilligt wurden die Ansuchen des wirkl. Hof rates Friedr. Frh. v. Froon, der um Ausfolgung der vorenthaltenen Nummer 222 der Leipz. Illustr. Zeitung, und des Kämmerers Adolf Grafen Husarzewski, der das gleiche für Nummer 224 von Illustration de Paris erbat. Letzterer wünschte auch etwa nachfolgend bean­standete Folgen zu bekommen und wandte sich brieflich an Sedlnitzky.

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