Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

MARX, Julius: Vormärzliches Schedenwesen

458 Julius Marx brauch nicht zu befürchten war. Die vorliegenden Akten zeigen indes, daß auch Private in gleicher Weise behandelt wurden. Für den Prager Kauf­mann Karl Kehrn, der Bücher aus dem Besitz des verstorbenen Vaters be­halten wollte, trat Amtsverweser Altgraf Salm ein. Hölzl, der Leiter des Wiener Zentralbücherrevisionsamtes meinte aber, einige gänzlich wertlose, zudem noch nicht zensurierte Schriften sollte man ausscheiden, ebenso alle freimaurerischen. In diesem Sinne entschied Graf Sedlnitzky, da letz­tere „in Privathänden durchaus nicht belassen iverden dürfen“. Dem Ve­nediger Munizipalarzt Dr. Duodo beließ Gouverneur Graf Pálffy aus dem Nachlaß des Schwagers alle mit erga schedam erledigten Werke, der Zen­surchef bewilligte ihm überdies Casti, Gli animali parianti. Die Tochter eines verblichenen Venediger Advokaten schritt gegen die Verfügung des dortigen Revisionsamtes ein, das die „Vita publica e privata di Pietro Leo- poldo d’Austria, Granduca di Toscana poi Imperatore Leopoldo II“ ausge­schieden hatte, wie Pálffy meinte, ohne zureichenden Grund. Sedlnitzky be­lehrte ihn aber, daß es sich um eine der böswilligsten, schon seit 1815 ver­botenen Vex'öffentlichungen handle; er schlug daher das Ansuchen ab. Den beiden Söhnen eines Linzer Fabrikanten und Herrschaftsbesitzers beließ er Antomarchi, Novellen, und Maiers Universum. Einblick in das amtliche Getriebe gewährt die Behandlung des Ansuchens, das der Münchendorfer Fabrikant Karl v. Thornthon einbrachte. Sein kleiner Sohn hatte die Biblio­thek seines Oheims, des Hofarztes und Leopoldsordensritters Johann Rinna v. Sarenbach, geerbt und das Bücherrevisionsamt hatte 15 Werke, darunter einige verbotene ausgereiht; es legte auch die Zensurzettel — sie fehlten bei den Schriften des 18. Jahrhunderts — vor. Hölzl meinte, er könne, da er die Denkweise der Betroffenen nicht kenne, sich über ihr Begehren nicht äußern, aber diese Werke hätten auch schon andere Schedenwerber erhalten. Die niederösterreichische Landesregierung, die nun die „Denk­weise“ zu erforschen gehabt hatte, sprach sich, gestützt auf das Gut­achten des Kreishauptmannes, zustimmend aus. Thornthon sei zwar nicht für so streng wissenschaftliche Schriften gebildet, dafür aber sehr für sein Fachgebiet, auch spreche er französisch und englisch und sei ein treuer Untertan. Dieses Gutachten bewog Sedlnitzky, ihm die Bücher ausfolgen zu lassen20). Überraschend ist es, daß man einer Bürgerswitwe in Mäh­risch-Schönberg, die ihren verblichenen Bruder, einen Dechant, beerbte, verbotene Bücher, die sie als Andenken zu behalten wünschte, beließ21). 20) Ohne Zensurzettel waren Mirabeau, Peint par lui mérne; Couvrier, Oeuvres; Mercier, L’an 2400; Voltaire, Romans; Rousseau, Odes. Verbotene Werke: Schneller, Der Mensch und die Geschichte; Rotteck, Allgem. Welt­geschichte; Pfizer, Briefwechsel zweier Deutscher; Casti, Gli animali parianti. Erga schedam: Arndt, Blick aus der Zeit auf die Zeit; Geizer, Die Strauß- schen Zerwürfnisse; Aclines, Recht und Macht des Zeitgeistes; Wolff, Encyclo- pädie der deutschen National-Literatur; Valery, Voyages historiques. Manzoni, Promessi sposi, von denen bloß ein Pariser Nachdruck verboten war. 21) Sie erhielt: Dr. Fridolin Huber, Rücktritt katholischer Geistlicher höhe­rer Weihen in den Laienstand, Karlsruhe 1833; Justinus Kerner, Die Seherin von Prevorst; Conversationslexikon, Leipzig 1834; alle mit erga schedam. Dam-

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