Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

MARX, Julius: Vormärzliches Schedenwesen

Vormärzliches Schedenwesen 457 Öttingers „Charivari“ zu. Ebenso hielt man es mit allen außer Kurs gesetzten Werken und Zeitungen; so machte Sedlnitzky den Grafen Deym, Kommissär in Krakau, eigens auf den Pariser „Charivari“ aufmerksam, als dieser meldete, daß er dem preußischen Postamt in Krakau den österreichischen Posttarif übermittelt habe. Er konnte übrigens auch mitteilen, daß dem preußischen Beamten von seiner Regierung aufgetragen worden sei, ihm entgegenzukommen. Dem Wiener Casinoverein wurde der „Punch“ verweigert, einem Grafen Münster in Venedig das Ansuchen um Heinzens „Tribun“ abschlägig beschieden17) und dem Ofner Platzhaupt­mann v. Sébes wurden auf seine Bitte zwar alle verbotenen Bücher be­lassen, die er von seinem Oheim, einem Obersten, geerbt hatte, nicht aber Hormayrs „Lebensbilder aus den Befreiungskriegen“. Im ganzen Faszikel findet sich bloß eine einzige Bewilligung zum Bezug eines mit Damnatur nec erga schedam zensurierten Buches: dem k. k. Rat und Lemberger Uni­versitätsprofessor Maus wurde Lelewels Geschichte Polens erlaubt. Das Lemberger Bücherrevisionsamt, das dieses Schedenansuchen nicht zurück­gewiesen hat, wurde gerügt. Das Gesuch um eine Schede auf ein Werk mit diesem Zensurgrad war direkt an die Hofstelle zu richten. Schied ein Revisionsamt aus dem Nachlaß eines Verstorbe­nen verbotene Bücher aus, so baten die Erben meist, daß man sie ihnen dennoch belasse. Diese Bitten wurden in den vorliegenden Fällen stets von den Behörden unterstützt und vom Zensurchef bewilligt. Eine Ausnahme bildet der Fall der minderjährigen Tochter des Grafen Severin Fredro: das galizische Gubernium trat wohl für das Ansuchen der Mutter als Vor­münderin ein, daß man dem Mädchen die Familienbibliothek belasse, wünschte jedoch die Ausreihung von Silvio Pellicos „Meine Gefängnisse“' (in polnischer Sprache), was Sedlnitzky auch anordnete. Ansonsten wurden die Privatbibliotheken des Adels 18 *) geschont, ebenso wurden Schedenansu­chen von Offizieren lB) immer zustimmend erledigt. Alle diese Bewilligun­gen betrafen Kreise, von denen ein der Staatsgewalt unerwünschter Miß­,7) Dem Casinoverein wurden Pesti Hírlap und Revue des deux mondes bewilligt, die er gleich dem Punch bisher schon auf Scheden erhalten hatte. — Münster durfte Memoires de Casanova beziehen. 18) Erzh. Stephan, Landeschef in Böhmen, setzte sich erfolgreich dafür ein, daß die Gräfin Isabella Trauttmansdorff die Schloßbibliothek in Horaletz unge­schmälert behalten konnte, und daß dem bevollmächtigten Vertreter der minder­jährigen Kinder des Grafen Eduard Stadion die verbotenen Bücher aus dem Nachlaß belassen wurden. — Ebenso gestand man der Gräfin Cacilia Jablo- nowska in Lemberg die Oeuvres complets, 3 vol., von Voltaire und Roy, Medy- cyna wyleczaj^ca, aus dem Besitz des verstorbenen Gatten zu. 1!<) Der Bruder (Beruf nicht angegeben) eines Korvettenkapitäns erbte von diesem Schriften von Scribe, de Kock, Tomadilla und Rousseaus Confessions. — Oberleutnant Christian Graf Kinsky, nied.-österr. Landstand, erhielt nach seinem Bruder Walter Scott, Quentin Durward; de Kock, Schwester Anna; Sue, Le vigie de Koat-Vin; Homöopathische Heilversuche. — Major i. R. von Frey­schlag erbte nach dem k. k. Kämmerer, Major Graf Rosieres drei verbotene Werke: Rousseau, Emile; le conte de Toumeau, Arts et sciences; Crebillon, Le Sopha, conte moral.

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