Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

MARX, Julius: Vormärzliches Schedenwesen

454 Julius Marx genannt) beträchtlich. Es war ganz im Geiste des 18. Jahrhunderts, wenn Leute mit höherer Schulbildung oder Lebensstellung die mit erga schedam eingestuften Schriften ohneweiters, besonders vertrauenswürdige selbst verbotene erhielten; „Professoren und eigentlichen Gelehrten“ sollte nach dem § 16 des Zensurediktes sowieso nichts verweigert werden. Wiesner bezweifelt in seiner Kritik, daß die Polizei immer feststellen könne, wer ein Gelehrter sei5 *). Aber wer dafür gelten wollte, mußte sich doch durch gewisse Leistungen als solcher ausgewiesen haben, was den Zensurbehörden am wenigsten entgangen sein konnte. Es ist jedoch ohneweiters denkbar, daß jemand, der erst am Beginn seiner Laufbahn stand, beim ersten Schedenansuchen Schwierigkeiten haben konnte. Ebenso ist es gewiß, daß dieses ganze System den Bücherschmuggel förderte, weil es große Kreise ausschloß, und daß dies umsomehr zu Tage trat, je größer die Kluft zwischen Staatsführung und öffentlicher Meinung wurde. Es war indes keineswegs die Absicht der Regierung, das Volk dumm zu erhalten, wie behauptet wurde, sondern die stete Revolutionsfurcht veranlaßte die Maß­nahmen; man wollte jeden bedenklichen Einfluß unterbinden. Erteilt wurde die Bewilligung auf Scheden bei erga schedam von der Polizei- und Zensurhofstelle selbst und von den Landespräsidien dann, wenn der Zensurgrad in den amtlichen Verzeichnissen bekannt gege­ben worden war. Ansuchen mußten bei einem Revisionsamt eingereicht werden und dieses gab dann den Bescheid an den Bewerber hinaus. Das Zentralrevisionsamt, dem auch die Herstellung und Versendung der Ver­botslisten oblag, befand sich in Wien. Seine Arbeitslast schwoll übermäßig an und konnte nur mit großen Verzögerungen bewältigt werden, weil alles Wichtige über Wien ging und die Schriftsteller sich auch lieber gleich hieher wandten 8 *). Diese Tatsache — sie geht übrigens, wie so vieles in der Zensur, auf eine Anordnung Josef II. zurück 7) •— ist wohl die Ursache, daß sich in den Akten so wenig über die Zensurarbeit der Landespräsi­dien und ihrer Revisionsämter findet. Diese konnten unbedeutende Sachen selbst freigeben, worüber sie Meldungen an die Hofstelle zu er­statten hatten8). Hingegen durfte das Wiener Zentralrevisionsamt nicht das unverfänglichste Schriftchen erledigen 8). Unser Aktenmaterial zeigt indes noch viel weitergehende Befugnisse der Gouverneure, wenn auch ihre 5) W i e s n e r, a. a. O., S. 234 f., 236. — M. Schätz, Die österreichische Zensur und ihre Bekämpfung in der Zeit von 1830—1848, Wiener Dissertation 1939, S. 89. — K. R e m m e r, Die Wiener Presse und der Wiener Buchhandel von ihren Anfängen bis zum Jahre 1848, Wiener Dissert. 1949, S. 134. «) Wiesner, a. a. O., S. 235 f., 296 ff. — Marx, in MIÖST XI., S. 416. — U. G i e s e, Studie zur Geschichte der Pressegesetzgebung, der Zensur und des Zeitungswesens im frühen Vormärz; in Archiv f. Geschichte d. Buchwesens, XXXVIII., Franki, a. M. 1964, S. 270. ") G n a u, a. a. O., S. 46 f. 8) Verwaltungsarchiv Wien, P.-H., Z. 1989 (K 1709) u. 3491 (K 1711) ex 1848, Zensur in Mailand und in den Provinzen. — G i e s e, a. a. O., S. 275 f. 8) Marx, Die österr. Zensur, S. 14. — Wiesner, a. a. 0., S. 393 f.

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