Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

J. M. Baernreithers und Graf O. Czernins Darstellung der Sixtus-Affaire 431 Grafen Armand auf französischer, bei denen ein Loyalitätsbruch gegen­über dem deutschen Bundesgenossen nicht in Frage kam. Auch wird die bekannte Frage der Übergabe einer geheimen Denkschrift Czernins vom April 1917 über die kritische Lage der Monarchie durch den Kaiser an den deutschen Zentrumsabgeordneten Matthias Erzberger, ihre wohl un­beabsichtigte Bekanntgabe an die Entente, und die Frage der objektiven Glaubwürdigkeit der Erklärungen Kaiser Karls in dieser Angelegenheit zur Sprache gebracht. Wenn diese Probleme in dieser Arbeit schon aus Raumgründen nicht erörtert werden konnten, so empfahl es sich doch nicht, sie aus der Veröffentlichung auszuschließen. Die Erwähnung der Armand- Reverteraschen Verhandlungen erklärt das Anfangs April zwischen Czer- nin und Clémenceau bestehende tragische Mißverständnis, wonach, wie im Schrifttum mehrfach erwähnt, jeder der beiden Disputanten andere Ge­heimverhandlungen im Sinne haben mochte50). Die Angelegenheit Erz­berger hilft wiederum zum Verständnis — nicht notwendigerweise zur Rechtfertigung — von Czernins Auffassung der kaiserlichen Glaubwürdig­keit. Jedenfalls macht diese Episode klar, daß zur Zeit der Aufrollung der Sixtusaffäre die früheren vertrauensvollen Beziehungen zwischen Kaiser und Minister schon wesentlich erschüttert waren. E. Aktenmäßige Zusammenstellung der „Brief Affäre 1917 u. 1918“ 51) von Ottokar Czernin Die nachfolgenden Aufzeichnungen der „Brief Affäre“ wurden nicht zum Zwecke der jetzigen Veröffentlichung geschrieben. Sie sollen aufbe­50) Siehe R. E. Glaise-Horstenau, a. a. 0., 205 ff. R. Fester a. a. O., 237 ff. Hentsch, Berchtold, II, 199 f„ 815 f. 51) Das gegenständliche Dokument, welches ungebunden dem Bd. XIX, Fase. VII, der Baernreitherschen Tagebücher beiliegt, ist großenteils in einer geraume Zeit vor 1900 üblichen Fassung der Gabelsbergerschen Stenographie abgefaßt. Persönliche Abänderungen Baernreithers erschweren darüber hinaus das Verständnis. Mir, der nur mit der Einheitskurzschrift vertraut ist, war die volle Kenntnisnahme des Inhalts dieser Aufzeichnungen überhaupt nur durch die ebenso sachkundige wie hingebungsvolle Transkription seitens Frau Justizinspektor Karoline Brünnler möglich. Ich fühle mich ihr tief verpflichtet. Auslassungen und insbesonders nicht entzifferbare Stellen, die sich gegen Schluß des Manuskriptes häufen, sind im Text angegeben. Das gleiche gilt für Worte, deren Sinn mit großer Wahrscheinlichkeit, aber nicht ganz eindeutig festzustellen war. Hier bezeichnet ein (?) nach dem betreffenden Wort die Er­gänzung, die Fraglichkeit der Transkription. Abgesehen von diesen Unklarheiten, ist die Diktion dieser Darstellung auf­fallend flüchtig und häufig sogar grammatikalisch grob fehlerhaft. Dies steht im offenen Widerspruch zu dem sonstigen mustergültig klaren Stil beider Män­ner. Die Erklärung bietet vielleicht die emotionelle Spannung, unter der Baernreither wie Czernin gestanden sein mußten. Die Unterabschnitte sind im Dokument mit römischen Ziffern bezeichnet.

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