Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

418 Robert A. Kann dem kaiserlichen Hauptquartier in Baden und durch eine Erklärung des damaligen deutschen Botschafters in Wien, Grafen Wedel, weitgehend unterstützt13). Dies bezieht sich auf die Annahme, daß der Kaiser den entscheidenden Brief ohne Zweifel selbst geschrieben habe und daß Czernin ihm mehr als ein Jahr später eine ehren wörtliche Erklärung abgenommen hätte, wo­nach dies in Abrede gestellt wird. Diese beiden Hauptumstände werden auch durch die Erklärungen der Gegner des Grafen Czernin, Polzer- Hoditz, Werkmann und des Baron Schager-Eckartsau, in keiner Weise widerlegt, sondern von allen dreien zumindest teilweise und mittelbar zu­gegeben 14), wobei allerdings Czernins Nötigung des Kaisers verständlicher­weise auf das schärfste verurteilt wird. Nicht erwiesen ist aber die von den Gegnern Czernins auf gestellte Be­hauptung, er habe die Trennung von Deutschland als Alternativmöglichkeit der österreichischen Politik zumindest ernstlich und nicht a limine ab­lehnend erwogen. Hier wird man, solange nicht der Beweis des Gegenteils erbracht ist, und fast ein halbes Jahrhundert nach diesen Vorgängen ist seine Erbringung kaum mehr vorstellbar, Czernins Darstellung wohl fol­gen müssen. Mehr umstritten sind hingegen zwei andere Punkte. War Czernins erste Anspielung auf geheime Verhandlungen mit Frankreich in der Rede vom 2. April 1918 ein wohl erwogener Schachzug oder ein bei einem gewiegten Diplomaten kaum glaublicher und daher kaum erklär­barer politischer Fehler? Weiters, selbst wenn man annimmt, daß Czernin in seinem Pressekrieg mit der französischen Regierung lückenloser und verläßlicher Information bedurfte, war es darum nötig, den Kaiser zu einer peinlichen ehrenwörtlichen Erklärung zu veranlassen? Waren hier nur Ehrgeiz und der Wunsch, das eigene Renommee aufrecht zu erhalten oder wohl beabsichtigte politische Erwägungen im Spiel, daß nämlich ein kai­serliches Ehrenwort die einzige verläßliche Garantie der Außenpolitik in diesem kritischen Zeitpunkt sein könne 15) ? Die hier vorgelegten Dokumente klären diese Fragen nicht, soweit sie nicht schon als geklärt anzusehen sind. Sie bringen aber meines Wissens zum erstenmal eine zusammenhängende und schlüssige Darstellung Czernins über die entscheidenden Vorgänge und die Motive seiner damaligen Poli­13) Siehe die Appendices in Demblin opus cit., 77 ff., Erklärung Wedel (Neue preußische Zeitung vom 14. Februar 1920) ibid., 77ff., das vorerwähnte Hughes-Gespräch ebenda 95 f. Gegen Demblins Darstellung in diesem Punkt nicht überzeugend Polzer-Hoditz, a. a. O., 375 ff. k) Polzer-Hoditz, a. a. 0., Werkmann, a. a. O., Schagers Presseerklärun­gen vom 14. und 24. Februar 1920 in Demblin 82 ff. is) Demblin, a. a. O., 17 ff., 25 ff., 33 ff., insbes. 38 ff., rechtfertigt gegen­über der weitaus überwiegenden Mehrheit aller sonstigen Darstellungen, so kritisch sie auch sonst der kaiserlichen Politik gegenüber stehen möge, unein­geschränkt Czernins Standpunkt.

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