Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

CSÁKY, Móric: Die ungarische Wegtaufenverordnung von 1890. Ein Beitrag zur Geschichte des Kulturkampfes in Ungarn

378 Móric Csáky Der Erzbischof von Erlau mag indessen gemerkt haben, daß durch Kom- promittierung von Seiten Hornigs nicht nur die Wegtaufenverordnung, sondern vor allem auch seine eigene Karriere gefährdet war: sollte näm­lich Rom gegen seinen Vorschlag Stellung beziehen, so bedeutete das für ihn einen schweren Rückschlag. So faßte er, nach wiederholten Beratungen mit Csáky und anderen wichtigen Persönlichkeiten (auch Simor!) den Beschluß, selbst nach Rom zu reisen, um einem ungünstigen Entscheid zuvorzukommen. Bereits am 20. Mai konnte er dem Kultusminister über seine in Rom gesammelten — wie er glaubte positiven — Eindrücke be­richten. Kardinal Simor aber wollte ihn jetzt nicht mehr empfangen, wahr­scheinlich weil man ihn zu überzeugen suchte, Erzbischof Samassa wolle jetzt, da der Primas alt und gebrechlich sei, die „Macht an sich reissen“ 63 64). Erst am 6. Juli erfuhr Csáky durch Ministerpräsident Szapáry83a) von der negativen Einstellung der Kurie. Er erachtete es daher für unbedingt notwendig, den Botschafter am Vatikan, Graf Revertera 84), noch einmal über das Geschehene genauestens zu informieren, damit er auf eine Än­derung in der Einstellung des Hl. Stuhles hinwirken könne. Am 9. Juli bittet dann Szapáry seinen Kultusminister nach Budapest, um die neue Situation zunächst zu dritt (es wurde noch Justizminister Szilágyi hinzu­gezogen) und dann im Ministerrat zu besprechen65). Die Minister stellten sich geschlossen hinter Csáky, obwohl dieser für den Fall, daß die Regie­rung sich der entstandenen Schwierigkeiten samt der Verordnung entledi­gen wollte, bereit war, zurückzutreten. So erwog man denn zunächst die Möglichkeit eines „modus vivendi“ : die Matrikel könnten eventuell über die Notariate dem zuständigen Geistlichen zugestellt werden. Ja, Csáky überlegte bereits, ob es nicht das beste wäre, das Matrikelwesen vollstän­dig zu verstaatlichen? „Wenn die Agitation gegen die Wegtaufenverord­63) Vor der Romreise besprach sich Samassa mit Cs., Szapáry und Nuntius Galimberti. In Rom erreichte er gerade das Gegenteil von dem, was er wollte: am 5. V. hatte er zwar eine Audienz beim Papst, da aber Simor sein Schreiben erst am 20. V. verfaßte, wußte man dort noch von nichts. „Er trat mit sol­chem Eifer für Csákys Verordnung auf, daß man ihn und seine zahlreiche Begleitung einfach ,1a massa go vernamentale' nannte“. Nach Leo XIII. hatte sich der Erzbischof damals alle Sympathien verscherzt. Vgl. Salacz, Kultúr­harc 57. — Deshalb wurde Samassa nach einem Jahr als Primaskandidat von Rom entschieden abgelehnt. Erst Pius X. kreierte ihn zum Kardinal (1905). Vgl. Engel-Janosi, Österreich und der Vatikan I 279. — Salacz, A primási szék betöltése 1891-ben 4. — Schmidlin, Papstgeschichte II 479 schreibt, Samassa sei im Auftrag der Bischofskonferenz in Rom gewesen! — Die Rückreise Samassas wird für den 11. V. gemeldet (Österr. Staatsarchiv, Polit. Arch. IX). 63a) Graf Julius Szapáry, geb. Pest 1. XI. 1832, gest. Abbazia 21. I. 1905. 1869 Ministerialrat, 1873—1875 Innenminister, 1890—1892 (21. XI.) Minister­präsident. 1894 Austritt aus der Liberalen Partei. 64) Karl Friedrich Graf Revertera-Salandra, geb. Lemberg 21. I. 1827, gest. Brixen 28. IV. 1904. 1888—1901 österreichischer Botschafter am Vatikan. 65) Schreiben Szapárys vom 6. und 9. VII. 1890 und Antwort Csákys (im Konzept) vom 8. VII. 1890 als Beilage zur Denkschrift.

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